Seit rund 30 Jahren bin ich jetzt in Sachen Aktien und Geldanlage unterwegs. Bei allen Veränderungen, die ich auf meinem Weg erlebt und selber mitgemacht habe, gibt es aber zwei Dinge, die sich nicht oder nur wenig verändert haben: erstens die Tatsache, dass mit Aktien langfristig eine gute Rendite erzielt werden kann. Ich habe den Zusammenbruch des Neuen Marktes ab dem Jahr 2000 erlebt, die Finanzkrise 2007 und natürlich den Corona-Crash im vergangenen Jahr. Und trotz dieser Rückschläge beweisen alle Statistiken und auch der Blick in unsere Portfolios: An Aktien führt für den Vermögensaufbau kein Weg vorbei.
Für Sie mag das vielleicht langweilig klingen, auch weil ich es an dieser Stelle mantramäßig wiederhole. Warum ich das mache? Das hängt unmittelbar mit der zweiten „Konstante“ der letzten 30 Jahre zusammen: der anhaltend niedrigen Aktionärsquote in Deutschland. Ja, ich weiß, im vergangenen Jahr ist die Zahl auf gut 12 Mio. Aktionäre und Fondsbesitzer gestiegen und liegt damit so hoch wie seit 2001 nicht mehr.
Die Entwicklung in 2020 freut mich natürlich, aber bei 12 Mio. von 83 Mio. ist noch viel Luft nach oben – insbesondere im internationalen Vergleich. Und es ändert eben auch nichts daran, dass wir in den letzten 20 Jahren, anders als an den Aktienmärkten, keine deutliche Steigerung erlebt haben. Zur Einordnung: Der Dax ist seit Ende 2001 um knapp 200 Prozent gestiegen (inklusive Dividenden), der amerikanische Dow Jones Index ohne Dividenden um 240 Prozent und der MSCI World hat sich ziemlich genau verdreifacht. In der gleichen Zeit sank die Zahl der Aktionäre und Fonds- bzw. ETF-Anleger um 500.000. Unglaublich. Aber woran liegt das denn eigentlich, habe ich mich in den letzten Wochen öfter gefragt. Meine kurze Antwort wäre: An einer regelrechten Kapitalmarktfeindlichkeit in Deutschland. Das klingt vielleicht etwas hart, aber ich erläutere gerne, wie ich zu diesem Urteil komme.
Unsere Einstellung zu Aktien, anderen Wertpapieren und Geldanlagen wird an verschiedenen Stellen geprägt und beeinflusst. Eigene Erfahrungen, Schule, Familie und natürlich auch Politik und Medien spielen eine große Rolle. Und an vielen dieser Stellen beobachte ich sie, die Kapitalmarktfeindlichkeit.
Ein paar Beispiele der jüngeren Vergangenheit: Auf der aktuellen Titelseite des „Spiegel“ sitzen Anleger auf einer Feuerwerksrakete, die mit ihnen unkontrolliert in den Himmel fliegt. Dazu die Überschrift „Im Rausch der Börse“ und in der Online-Version noch ein Hinweis auf die neue Lust der Deutschen am Zocken. So ein Titel schreckt mehr ab und bestätigt Vorurteile, als dass er die Aktienkultur fördert. In diesem Fall umso ärgerlicher, weil im eigentlichen Artikel sogar viele richtige und wichtige Hinweise stehen, beispielsweise der Tipp, kostengünstig und breit gestreut in ETFs zu investieren und nicht zu versuchen, den Markt zu timen, also vermeintlich optimale Ein- und Ausstiegszeitpunkte zu finden.
Aber es kommt noch besser: Wie wir aufmerksamen Zeitungsleser mittlerweile wissen, legen sowohl unser Finanz(!)- als auch unser Wirtschafts(!)minister kein Geld in Aktien an. Obwohl ich vermute, dass sie am Ende des Monats zumindest etwas Geld für einen Sparplan übrig haben müssten. Stattdessen setzen beide nach eigener Aussage aufs Sparbuch – und schrumpfen damit Jahr für Jahr ihr Erspartes. Mein Mitleid hält sich in diesem Fall zwar in Grenzen, aber das Signal, das sie senden, ist fatal.
Fondsanlage ≠ Altersvorsorge? Wirklich?
„Schön“ auch die Zusammenfassung eines Gesprächs mit einem jungen SPD-Landtagsabgeordneten, der erzählt hatte, monatlich 1250 Euro in verschiedenen Fonds anzusparen. „Die Zeit“ fasste es bei Twitter so zusammen:
Ich hatte erst die Vermutung, es sei Satire – war es aber nicht. Andere Politiker machen gerne auch direkt Stimmung gegen die Aktie. Noch krasser wird es in diesem Tweet:
verziert und gekrönt mit dem Symbol eines sich die flache Hand vor den Kopf schlagenden Menschen. Absenderin: eine Bundestagsabgeordnete von „Die Linke“. Sie bezog sich dabei auf einen entsprechenden Vorschlag der FDP. Mit ihr würde ich wirklich gerne mal über Altersarmut diskutieren – in der Hoffnung, mir nachher nicht die Hand vor den Kopf schlagen zu müssen.
Und zur Krönung wendet sich das Blatt auch gerne mal kurzzeitig, zumindest wenn es in die Geschichte passt: In einer ZDF-Doku über den Wirecard-Skandal waren die Leerverkäufer, die an der Börse an fallenden Kursen verdienen, auf einmal „die Guten“. Eine Gruppe, die in anderen Berichten zum Kapitalmarkt sehr gerne als das personifizierte Böse dargestellt wird. Da fällt mir spontan Pippi Langstrumpf ein: „Ich mach mir die Welt, widewide wie sie mir gefällt.“
Diese Liste ließe sich sicher beliebig fortsetzen, aber die Beispiele zeigen eine negative Grundeinstellung, die ich an vielen Stellen von Medien und Politik beobachte. Wo und wie soll in diesem Umfeld eine Aktienkultur wachsen?
Vielleicht in den Schulen? Ob die Schulen kapitalmarktfeindlich sind, weiß ich, ehrlich gesagt, nicht. Ich fürchte eher, dass Aktien und Co. in der Schule einfach kein Thema sind. Meinen einzigen schulischen Kontakt mit Wertpapieren hatte ich während des Börsenspiels der Sparkassen. Das lief, glaube ich, drei Monate. Bei mir ist hängengeblieben, dass das Spiel nur gewinnen konnte, wer sein gesamtes virtuelles Geld in eine einzige Aktie investierte und das Glück hatte, dass genau diese Aktie in den drei Monaten des Spiels stark anstieg. Das ist für die Anlage von echtem Geld völlig falsch. Oft höre ich auch den Vorwurf, es gebe immer noch viele Lehrer, die sehr negativ gegenüber Wertpapieren eingestellt seien. Entweder aus Unkenntnis oder aus ideologischen Gründen. Das kann ich nicht beurteilen und ich hoffe, es ist nur ein Vorurteil. Fest steht für mich aber, dass Schule keine Wissensbasis schafft, mit der Schülerinnen und Schüler dann später ihr selbst verdientes Geld kompetent anlegen können.
Botschafter gesucht
Bleiben also Familie und Freundeskreis.
Sollten in Ihrem Umfeld schon alle Menschen Aktien-Fans sein, freut mich das natürlich. Wenn nicht, hätte ich eine Bitte an Sie, liebe Leserinnen und Leser. Werden Sie aktiv und legen Sie ein gutes Wort für die Aktie ein, falls im Familien- oder Freundeskreis (mal wieder) die üblichen Klischees und Vorurteile gegenüber einer Anlage in Wertpapieren bemüht werden. Kleiner Werbeblock: Über eine Empfehlung, diese Wertpapieranlage bei der Quirin Privatbank oder unserer digitalen Tochter quirion zu probieren, würde ich mich natürlich sehr freuen. Dies ist bereits ab einer Anlagesumme von 25.000 bzw. 500 Euro möglich. Aber jetzt zurück zum Thema.
Erläutern Sie, dass ein aktienbasierter, langfristiger Vermögensaufbau nichts mit skrupellosen Spekulanten und Kryptowährungshasardeuren zu tun hat, sondern mit einer Beteiligung am Wirtschaftswachstum. Eine breit gestreute langfristige Anlage in ein ETF-Portfolio ist der sicherste Schutz vor Altersarmut – und nicht der Grund für diese. Und natürlich ist mir klar, dass leider nicht jeder Mensch in Deutschland die Mittel hat, jeden Monat hohe Summen zu sparen. Aber gestatten Sie mir dazu noch einen Gedanken: Aktuell zahlen über 39 Mio. Menschen jeden Monat ihren Beitrag in die gesetzliche Rentenversicherung. Ein System, das jährlich mit zusätzlichen Milliarden aus der Steuerkasse gestützt werden muss. Trotzdem müssen wir uns auf eine weiter steigende Lebensarbeitszeit bei sinkenden Renten einstellen. Würde zumindest ein Teil der Rentenbeiträge am Kapitalmarkt angelegt, hätten wir aus meiner Sicht schon sehr viel gewonnen – nämlich höhere Renten und (zukünftige) Rentner, die jedes Jahr auf ihren Mitteilungen der Rentenversicherung schwarz auf weiß sehen könnten, dass der Kapitalmarkt nicht böse ist, sondern lohnend. Für die Aktienkultur wäre das ein riesiger Schritt nach vorne.
Dafür setzen mein Team und ich uns ein und freuen uns über jeden Unterstützer.
Autor: Karl Matthäus Schmidt, Vorstandsvorsitzender der Quirin Privatbank und Gründer von quirion
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