Beginnen wir den heutigen Logbucheintrag einmal ganz Quirin-untypisch mit einer Kapitalmarktprognose: Wir schreiben das Jahr 2035. Der DAX hat die Hürde von 25.000 Punkten genommen und die Stimmung an den weltweiten Aktienmärkten ist gelöst. Viele Krisen der letzten Jahre sind in den Hintergrund gerückt. Dennoch erinnert man sich noch gut an das Jahr 2020. Das Jahr mit einer der spektakulärsten Aktienmarkt-Kehrtwenden der Geschichte. Solche Comebacks sind legendär, ebenso wie im Sport nach uneinholbaren Rückständen oder in der Musikgeschichte nach nicht mehr für möglich gehaltenen Wiedervereinigungen.
An der Börse sprechen dabei Zahlen die deutlichste Sprache: Im März 2020 verloren die weltweiten Aktienbörsen kaum fassbare 30 Billionen (30.000.000.000.000) US-Dollar an Wert. Danach folgte eine schnelle und kräftige Kurserholung, die allseits bestens bekannt ist und mittlerweile viel besungen wurde. Gern darf daraus ein Evergreen werden, denn die Quintessenz ist für Anleger immens wertvoll.
Diese Quintessenz hängt mit zwei Börsenweisheiten zusammen. Solche Weisheiten gibt es zuhauf und viele davon sind absolut verzichtbar, aber in einigen Ausnahmefällen sind sie – wie die nachfolgenden – tatsächlich weise.
- 1) Versuche nicht, schlauer als der Markt zu sein.
Wer sich im Börsenjahr 2020 so ruhig wie möglich von den Wellen der Börse hat tragen lassen (was zugegebenermaßen nicht immer eine leichte Übung war), ist am Ende wieder hochgespült worden. Viele, die die Wellen ausnutzen und gezielt von günstigen Aus- und Wiedereinstiegskursen profitieren wollten, dürften noch stärker unter Wasser liegen oder auf dem Trockenen sitzen (wenn nach einem Ausstieg nicht rechtzeitig reinvestiert wurde). - 2) Die Börse bezahlt die Zukunft.
Ähnlich wie Weisheit Nr. 1 ist auch die zweite wohl selten so zutreffend gewesen wie heute. Aktuelle Aktienkurse antizipieren bereits künftige Entwicklungen, wenn auch nicht immer zu 100 % treffsicher (aber das kann auch sonst niemand, siehe Weisheit Nr. 1). Im Umkehrschluss bedeutet dies: Bei der Geldanlage darf man die gegenwärtige Situation nicht überbewerten – auch wenn es, wie im letzten Jahr, schwerfällt. Wer sich zu sehr mit der Gegenwart beschäftigt, wird von den Börsen oft buchstäblich abgehängt. Besser, man bleibt gleich im Börsenzug sitzen, im Rückwärts- wie auch im Vorwärtsgang.
Im abgelaufenen Jahr haben die Börsen also schon die erwartete Entwicklung nach der Pandemie, insbesondere eine erfolgreiche Impfoffensive und eine Wirtschaftserholung, eingepreist. Wie viel genau, kann niemand verlässlich sagen, und ob diese Erwartungen überhaupt erfüllt werden, auch nicht. Trotz alledem beschäftigen sich viele, um nicht zu sagen alle Jahresausblicke von Banken und Investmentgesellschaften genau damit und versuchen dann das daraus resultierende Renditepotenzial in verschiedensten Anlagebereichen und Branchen vorherzusagen. Vor allem Anleger, die im Jahr 2020 mit falschen Ein- und Ausstiegsentscheidungen Rendite liegengelassen haben, erhoffen sich von den entsprechenden Prognosen wohl einen Mehrwert für ihr Vermögen. Die Krise hat uns aber nicht zuletzt auch gelehrt, dass Börsenentwicklungen grundsätzlich unvorhersehbar (vielleicht unvorhersehbarer denn je) sind.
In genau diesem Sinne möchten wir mit Ihnen folgende Überlegungen zu den aus unserer Sicht marktbestimmenden Themen im Jahr 2021 (und darüber hinaus) teilen: eben nicht als Basis für Anlageentscheidungen, sondern als gedankliche Leitplanken, die vor allem dazu dienen sollen, sich von ggf. erneuten Kursturbulenzen und vermeintlich heißen Anlagetipps nicht aus der Bahn werfen zu lassen.
- Taktgeber Corona
„Hauptsache, gesund“ – fast schon zur Plattitüde verkommen, ist diese Redewendung aktueller denn je. Corona hat schmerzlich einen an sich glasklaren Zusammenhang offengelegt: Die Gesundheit der Menschen geht Hand in Hand mit der Gesundheit der Weltwirtschaft. Insofern wird vieles von der Verfügbarkeit, der Sicherheit und der Schutzdauer der Impfstoffe abhängen. Die enorm schnelle Entwicklung dieser Impfstoffe ist vielleicht aktuell das beste Beispiel dafür, dass gerade in Krisenzeiten Innovationskraft und Produktivitätssteigerung im Rahmen unserer marktwirtschaftlichen Ordnung besonders ausgeprägt sind. Normalerweise dauert die Entwicklung von Impfstoffen Jahre und nicht Monate – was für ein Entwicklungssprung! - Stabwechsel im Weißen Haus
Donald Trump kann bis zu Joe Bidens Verteidigung am 20. Januar zwar noch etwas zündeln (z. B. mit weiteren handelspolitischen Brandsätzen Richtung China), aber einen Flächenbrand dürfte er nicht mehr entfachen. Von Joe Biden erwarten wir zwar keinen „Kuschelkurs“ in alle Richtungen, aber doch deutlich konstruktiveres Verhalten, vor allem in Richtung EU. - EU ex GB
Gerade in den ersten Wochen des neuen Jahres könnten die Nachwehen der zähen Austrittverhandlungen mit Großbritannien noch für stärkere Bewegungen, vor allem auf den europäischen Kurszetteln, sorgen. Beide Seiten ziehen keine Vorteile aus chaotischen Zuständen, was die Wahrscheinlichkeit für einen tatsächlich „harten“ Brexit nach wie vor minimiert. - Geld- und Fiskalpolitik im Einklang
Die lockere Geldpolitik der Notenbanken wird derzeit auch von einer freigiebigeren Fiskalpolitik begleitet (u. a. Steuererleichterungen, staatsgarantierte Bankkredite, Konjunkturprogramme). Damit kommt zirkulierendes Geld nicht nur an den Kapitalmärkten an, sondern auch in der Realwirtschaft. Beides dürfte eher zu lange expansiv bleiben als zu früh restriktiv werden. Fraglos birgt dies auch Gefahren, wie z. B. eine sich beschleunigende Inflationierung. Solange diese expansive Politik jedoch nicht zu einem Verlust des Vertrauens in die entsprechenden Institutionen führt, insbesondere in die Notenbanken, ist der Nutzen dieser Maßnahmen deutlich größer als ihr Schaden. - Weltwirtschaft mit Luft nach oben
Asien zeichnet momentan den Weg der Wirtschaftserholung vor. Die relativ erfolgreiche Pandemieeindämmung führt hier schon zu stabileren Wirtschaftsverhältnissen als in weiten Teilen der restlichen Welt. Global schlummert noch viel Potenzial für das Weltwirtschaftswachstum insgesamt, wenn Investitions- und Konsumstaus nachhaltig aufgelöst werden. - Ausrufezeichen für den Freihandel
Wegen Corona etwas unbemerkt und ggf. auch unterschätzt, wurden jüngst die achtjährigen (!) Verhandlungen zum größten (!) Freihandelsabkommen der Welt (RCEP, Regional Comprehensive Economic Partnership) zwischen 15 Asia-Pazifik-Staaten zum Abschluss gebracht, die für immerhin 30 % der globalen Wirtschaftsleistung stehen. Dieser wirtschaftspolitische Coup der chinesischen Regierung könnte durchaus eine Gegenbewegung zum Protektionismus auslösen, wenn andere Wirtschaftsregionen nachziehen, um wettbewerbsfähig zu bleiben.
In all diesen Überlegungen schwingt Zuversicht mit, die z. T. auch schon zum starken Kursaufschwung der letzten Monate beigetragen hat. So war der November 2020 der zweitstärkste Monat des weltweiten Aktienindex MSCI World seit Start der Berechnungen im Jahre 1969. Geraten die beschriebenen Entwicklungen allerdings ins Stocken, kann es fraglos zu (im Zweifel auch empfindlichen) Kursrücksetzern kommen. Zudem weiß niemand, ob sich nicht im neuen Jahr neue Störfaktoren ergeben, die heute noch keiner auf dem Radar hat und die den breiten Aktienmarkt aus ganz anderer Richtung treffen können. Das liegt aber in der Natur der Kapitalmärkte und ist letztlich auch ein Grund, warum man als Anleger auf längere Sicht eine faire Rendite als Entschädigung für das Eingehen und Aushalten solcher Risiken erhält.
Die tatsächlichen Entwicklungen lassen sich also weder der Sache nach vorhersagen noch auf der Zeitachse treffsicher einordnen. Von daher können die genannten Punkte zwar gerne als Unterstützung dienen, einer gewählten Kapitalmarktstrategie treu zu bleiben oder sich erstmals grundsätzlich für eine Kapitalmarktanlage zu entscheiden. Sie dürfen aber keinesfalls die ausschlaggebenden Parameter für die konkrete Anlageentscheidung werden (z. B. für die Wahl der persönlichen Aktienquote). Diese Parameter bestimmen Sie letztlich selbst, gerne unterstützt durch Ihre Vermögensberaterin oder Ihren Vermögensberater. Entscheidend dabei sind verlässliche Fakten wie Ihr Anlagehorizont, Ihre Risikotoleranz und Ihre sonstigen Anlageziele und keinesfalls vage Prognosen.
Wer Geld an den Kapitalmärkten anlegt, muss natürlich grundsätzlich überzeugt sein, dass sich hier langfristig attraktive Renditen erwirtschaften lassen und dass die Marktwirtschaft auch große Krisen letztlich produktiv überwindet. Und natürlich ist eine solche Überzeugung überspitzt gesagt auch eine Art Prognose. Die Kapitalmarkthistorie zeigt uns aber: Sie ist mit Abstand die verlässlichste und hängt – anders als die alljährlichen Punktprognosen für DAX und Co. – mit grundlegenden ökonomischen Gesetzmäßigkeiten zusammen. Diese Gesetzmäßigkeiten sind es auch, die dafür sorgen werden, dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ein Aspekt aus unserem Einstieg in dieses Logbuch tatsächlich eintreten wird: Der weltweite Aktienmarkt wird in 15 Jahren deutlich höher stehen als heute. Mit dieser Aussicht lohnt es sich, langfristig zu investieren – auch wenn in Bezug auf das unmittelbar bevorstehende Anlagejahr 2021 bei allen begründeten Hoffnungen viele Fragezeichen verbleiben.
Sie sind an unserem Anlagekonzept und an einer Kapitalmarktanlage – als Alternative zu Sparbuch und Co. in Zeiten der anhaltenden Nullzinspolitik – interessiert? Dann vereinbaren Sie gerne einen persönlichen Gesprächstermin, auf Wunsch Corona-konform an einem unserer 15 Standorte oder via Telefon oder Videokonferenz.
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