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Nervöse Aktienmärkte auf erratischer Berg- und Talfahrt

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Der höchst ungewisse Ausgang des Russland-Ukraine-Krieges sowie die humanitären, politischen und wirtschaftlichen Auswirkungen sind derzeit das alles beherrschende Thema. Selbstverständlich werden auch die globalen Aktienmärkte davon stark dominiert – heftige Schwankungen inklusive. Dass die Ausschläge dabei durchaus auch nach oben gehen können, zeigt der extrem starke Börsenmittwoch, an dem beispielsweise der DAX fast 8 % zulegte – mit 1.016 Zählern war es der größte Punktegewinn in der Geschichte des Index. Und dies mitten in einem Krieg. 

Rein wirtschaftlich konzentrieren sich die Sorgen derzeit vor allem auf die Folgen der Sanktionen, speziell für die Rohstoffmärkte. Nachdem die USA Öl-, Gas- und Steinkohleimporte aus Russland gestoppt und die Russen ihrerseits verstärkt mit Einschränkungen der Rohstoffausfuhren, insbesondere nach Europa, gedroht hatten, zogen die ohnehin schon auf hohem Niveau notierenden Rohstoffpreise nochmals stark an.

Krieg in der Ukraine erschüttert die Rohstoffmärkte

Angesichts dieser Entwicklungen stellt sich die Frage, wie sich die hohen Rohstoffpreise und auch ein länger anhaltender Krieg speziell auf die Inflation und das Wirtschaftswachstum auswirken werden, was dann naturgemäß auch auf die Kapitalmärkte ausstrahlt.

In einem Umfeld, in dem sich täglich, ja sogar mehrmals am Tag die Nachrichtenlage teils gravierend ändert, sind alle diesbezüglichen Vermutungen im Grunde noch mehr auf Sand gebaut als in „normalen“ Zeiten. Allerdings kann man ziemlich sicher davon ausgehen, dass das globale Wachstum – zumindest in diesem Jahr – deutlich schwächer ausfallen wird als von Volkswirten noch zu Jahresbeginn erwartet. So rechnet beispielsweise das Investmenthaus Morgan Stanley aktuell damit, dass sich das Wachstum im Euro-Raum von den bisher geschätzten 3,9 % auf 3,0 % abschwächen wird. Für Deutschland wird sogar fast eine Halbierung der bisherigen Wachstumsschätzung unterstellt, von 2,8 % auf nur noch 1,5 %.

Ähnlich ins Negative angepasst werden die Inflationsschätzungen. Wie immer, wenn die Unsicherheit aufgrund überraschender Ereignisse sehr groß ist, liegen die Schätzungen dabei weit auseinander. Sie reichen von spektakulären 8 % eines bekannten deutschen Bankhauses bis hin zu vergleichsweise moderaten 3,5 bis 4 % im Jahresmittel. In jedem Fall dürfte der von uns nach wie vor erwartete Rücklauf in den Inflationsraten vor dem Hintergrund der aktuellen Ereignisse nun länger auf sich warten lassen.

Interessanterweise sind die an den Anleihemärkten anhand spezieller Indikatoren ablesbaren impliziten Erwartungen der Investoren hinsichtlich der durchschnittlichen Inflationsrate für die nächsten fünf Jahre zwar auch angestiegen, sie sind aber mit 2,1 % für die Euro-Zone und 2,7 % für die USA immer noch relativ zurückhaltend. Wir werten dies als ein weiteres Indiz dafür, dass viele der aktuell gemeldeten, häufig sehr extremen ökonomischen Zahlen – insbesondere zur Inflationsentwicklung – spekulativ übertrieben und vorübergehender Natur sind.

Inflationserwartungen am Kapitalmarkt noch moderat

Kräftig spekuliert wird derzeit beispielsweise auch darüber, ob die US-Notenbank und die EZB angesichts der wahrscheinlichen Wachstumsdämpfer das Tempo der ursprünglich angestrebten zins- und geldpolitischen Straffungen drosseln werden – trotz des aktuell durch die Rohstoffpreise nochmals erhöhten Inflationsdrucks. Insbesondere die EZB steckt hier in einem größeren Dilemma – muss sie doch zwischen Rezessionsängsten und Inflationssorgen lavieren. Im Rahmen ihrer gestrigen Sitzung wurde zwar erwartungsgemäß keine Zinserhöhung vorgenommen, allerdings werden die Anleiheaufkäufe etwas schneller gedrosselt als bislang kommuniziert. Die schnellere Drosselung deutet darauf hin, dass die EZB die Inflationsgefahren aktuell höher einschätzt als die unmittelbaren Gefahren für das Wirtschaftswachstum. Die Aktienmärkte hat die Entscheidung bis zum späten Donnerstagnachmittag wenig tangiert.

Aus alldem aber überstürzte Anlageentscheidungen abzuleiten, wie z. B. den Ausstieg aus den Aktienmärkten, ist und bleibt unseres Erachtens falsch – auch wenn niemand ausschließen kann, dass die Märkte in den nächsten Wochen noch einmal erheblich unter Druck geraten. Wir sind überzeugt davon, dass man mit einem disziplinierten Durchhalten sein Vermögen am besten schützt, auch wenn das zunächst paradox klingen mag. Selbstverständlich ist uns bewusst, dass ein Ausstieg heute das Vermögen vor einem weiteren Kursverfall morgen, was – wie erwähnt – nie ausgeschlossen werden kann, schützen würde. Gleichzeitig wissen wir aber auch, dass man mit einem Verkauf den aktuellen Vermögensstand zunächst einmal einzementiert. Damit verzichtet man auf die Chance, an Kurserholungen zu partizipieren, die ebenfalls morgen stattfinden können und die über kurz oder lang Schwächephasen überkompensieren, weil eine funktionierende Marktwirtschaft langfristig wächst und für steigende Aktienkurse sorgt. Zu glauben, man finde den richtigen Zeitpunkt für einen Wiedereinstieg, ist reine Illusion. Sowohl die wissenschaftliche Finanzmarktforschung als auch die Anlagepraxis zeigen, dass das so gut wie nie gelingt. 

Nervöse Aktienmärkte auf erratischer Berg- und Talfahrt

Im bisherigen Jahresverlauf liegen die meisten Aktienmärkte im Minus. Zugleich aber bestätigt sich auch derzeit wieder das Bild einer auch in Kriegszeiten wenig empathischen Börse, die trotz einer katastrophalen Nachrichtenlage nicht mit dramatischen Kurseinbrüchen aufwartet, ja die Kurse an einzelnen Tagen sogar kräftig steigen lassen kann. Stand heute halten sich die Abschläge seit Jahresbeginn insgesamt in Grenzen.

Ein genauer Blick auf die Wertentwicklungen untermauert, dass der von Anlegerinnen und Anlegern gerne praktizierte Fokus auf den deutschen Heimatmarkt gegenüber einer sinnvollen internationalen Streuung, die vor allem auch den kapitalstärksten Aktienmarkt USA berücksichtigt, im Nachteil ist. Das zeigt sich in aller Regel auch über längere Anlagehorizonte.

Aktienmarktentwicklungen ausgewählter Märkte

Fazit

Aufgrund des Krieges in der Ukraine ist das aktuelle Marktumfeld derzeit extrem von Spekulationen, Nervosität und Unsicherheit geprägt. Dennoch wird auch dieser Krieg zu Ende gehen und auch die kriegsbedingten Wachstumsdämpfer werden sich letztlich als temporäres Phänomen erweisen. Wir leiten aus der aktuellen und bislang bekannten Gemengelage – so dramatisch sie auch ist – keinen unmittelbaren Handlungsbedarf für ein breit nach wissenschaftlichen Kriterien gestreutes internationales Aktienportfolio ab. Insbesondere sehen wir keine Verwerfungen, welche die Funktionsfähigkeit der Marktwirtschaft außer Kraft setzen könnten. Und dies – die Abschaffung der Marktwirtschaft an sich – wäre der einzige Grund, sich von den Aktienmärkten zu verabschieden. Impulsive Anlageentscheidungen aufgrund des aktuellen Marktgeschehens oder auf Basis von sich derzeit schnell ändernden Marktprognosen bleiben also ein Tabu. 

Autor: Prof. Dr. Stefan May, Leiter Anlagemanagement der Quirin Privatbank

 

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Der Beitrag ist mit größter Sorgfalt bearbeitet worden. Er enthält jedoch lediglich unverbindliche Analysen und Erläuterungen. Die Angaben beruhen auf Quellen, die wir für zuverlässig halten, für deren Richtigkeit, Vollständigkeit und Aktualität wir aber keine Gewähr übernehmen können. Die Informationen wurden einzig zu Informations- und Marketingzwecken zur Verwendung durch den Empfänger erstellt und können keine individuelle anlage- und anlegergerechte Beratung ersetzen.

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