Jede Krise kennt Gewinner und Verlierer – das ist in Zeiten von Corona nicht anders. In der aktuellen Krise von Profiteuren zu sprechen, fällt allerdings nicht ganz leicht. Immerhin geht die Corona-Pandemie mit hohen wirtschaftlichen Schäden, gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder im Extremfall mit dem Verlust von Menschenleben einher. Wer möchte da schon gern als Nutznießer der Krise bezeichnet werden? Dies vorausgeschickt, möchten wir dennoch im Rahmen des heutigen Logbuchs auf die Börsengewinner der letzten Monate näher eingehen: die Technologieaktien.
Technologieaktien haben im Zuge der Coronakrise deutlich zugelegt und nicht wenige Aktien aus diesem Sektor haben erst kürzlich neue Allzeithochs erreicht. Die positive Kursentwicklung vieler Tech-Aktien seit Jahresbeginn verdeutlicht der US-Technologieindex NASDAQ 100, in dem die allseits bekannten Tech-Riesen („Big Five“) die Hauptrolle spielen – als da wären: Apple, Microsoft, Amazon, Alphabet (Google) und Facebook. Ihr Marktwert ist so hoch, dass allein das Gewicht dieser fünf Werte zusammen im NASDAQ 100 knapp 50 % ausmacht. Je höher die Marktkapitalisierung eines Unternehmens ist (Anzahl umlaufender Aktien * Börsenkurs), desto höher ist das Indexgewicht.
Ein Blick auf die globale Entwicklung der einzelnen Branchen seit Jahresbeginn zeigt ebenfalls die aktuelle Ausnahmestellung des Technologiesektors:
Homeoffice und Online-Handel – Treiber der Technologiehausse
Der durch die Pandemie verursachte mehrwöchige Lockdown und die anschließenden Einschränkungen im öffentlichen Leben und im Berufsalltag haben weltweit zu einem nochmaligen Schub für die Digitalisierung und den Online-Handel geführt. Hinzugekommen ist nun noch das Thema Homeoffice. Mit den Softwareangeboten der Technologiekonzerne, wie der externen Speicherung in Rechenzentren (sog. „Clouds“) und dem Konferieren per Videokonferenz aus dem heimischen Wohnzimmer (oder der Küche), wurde das Arbeiten im Homeoffice für viele Arbeitnehmer erst möglich. Die Technologiebranche bietet IT-Infrastrukturen, Cloud-Plattformen, Onlineshopping, Onlinebuchungen, Social Media, PC-Sicherheitslösungen – alles heiß begehrt in Corona-Zeiten.
Tech-Riesen dominieren Indizes
Noch spektakulärer als die Kurszuwächse in der jüngeren Vergangenheit sind allerdings die Größenordnungen, die die großen Tech-Konzerne erreicht haben. Die Marktkapitalisierung beispielsweise von Apple allein ist mittlerweile größer als die von bedeutenden europäischen Aktienindizes. Die Apple-Aktie war weltweit die erste überhaupt, die eine Marktkapitalisierung von mehr als einer Billion US-Dollar erreichte und ist in diesem Jahr sogar über die Schwelle von 2 Billionen Dollar geklettert (Quelle: Bloomberg). Damit ist Apple schwerer als sämtliche Titel des FTSE-100-Index zusammen (umfasst die 100 größten Unternehmen an der Londoner Börse) – vom DAX ganz zu schweigen. Um die Dimension nochmals zu verdeutlichen: Der Marktwert aller Apple-Aktien übertrifft mit 2.135 Mrd. Dollar sogar das Bruttoinlandsprodukt Italiens des Jahres 2018 (2.084 Mrd. Dollar) (Quelle: Bloomberg).
Durch ihre speziell in den US-Indizes hohe Gewichtung sind die Technologieaktien im Zuge der jüngsten Hausse zu den Zugpferden der globalen Aktienmärkte geworden – gilt der amerikanische Aktienmarkt doch als Weltleitbörse. Gäbe es die Tech-Giganten nicht, sähe etwa die bisherige Jahresbilanz des S&P 500 eher mau aus. Er hätte zwischenzeitlich keine Rekordhöhen erreicht, sondern läge stattdessen spürbar im Minus. Denn auch hier dominiert branchenseitig der IT-Sektor – mit einem Anteil von rund 30 % aller im Index vertretenen Branchen stellt er mit großem Abstand den Löwenanteil. Allein die eingangs erwähnten fünf Tech-Riesen haben zusammen ein Indexgewicht von knapp 25 % im S&P 500 – im über 1.600 Werte umfassenden MSCI-World-Index sind es knapp 15 %.
Hohe Indexgewichtung ist problematisch
Die sehr erfreuliche Kursentwicklung speziell der „Big Five“ aus dem Technologiesektor und die in der Folge stark angestiegenen Indexgewichtungen dieser Aktien haben allerdings ihre Schattenseiten. Die Konzentration der Performance auf eine derart kleine Anzahl von Aktien birgt naturgemäß Risiken. Spürbare Rückschläge bei diesen Aktien – aus welchen Gründen auch immer (und sei es nur aufgrund von Gewinnmitnahmen) – würden viele Aktienindizes stärker belasten und könnten sogar, sofern Anleger in größerem Stile aus Apple, Microsoft, Amazon & Co. flüchten, zu einer deutlicheren Marktkorrektur führen. Ansatzweise konnte man dieses Phänomen bereits jüngst beobachten.
Wiederholt sich die Geschichte?
Im Zusammenhang mit dem derzeit starken Interesse an Technologieaktien und deren fulminantem Kursanstieg stellen sich viele Anlegerinnen und Anleger die Frage, ob der momentane Technologie-Hype nicht furchtbar übertrieben ist und wir womöglich wieder vor dem Platzen einer Technologieblase (sogenannte „Dotcom-Blase“) stehen, wie bereits zur Jahrtausendwende. Oder ist dieses Mal alles anders und setzt sich der Siegeszug der IT-Aktien weiter ungebremst fort?
Unseres Erachtens verbietet sich aus mehreren Gründen eine Gleichsetzung der aktuellen Lage zur „Dotcom-Blase“. Das heutige Zins- und Liquiditätsumfeld stellt sich deutlich anders dar als vor 20 Jahren – die Zinsen haben rekordtiefe Niveaus erreicht (Bsp.: Rendite 10-jährige Bundesanleihe zur Jahrtausendwende: rund 5,50 % – heute: -0,50 %) und die Anlageliquidität ist durch die expansive Notenbankpolitik in Hülle und Fülle vorhanden. Anfang des Jahrtausends gab es also noch attraktive Anlagealternativen auf der Anleiheseite. Heutzutage dagegen sind Aktien als Langfristanlage fast schon ein Pflichtinvestment. Und stärker als im Jahr 2000 beruht der gegenwärtige Kursanstieg der großen Tech-Player auf einem starken fundamentalen Wachstum, das sich aus steigenden Umsätzen, hohen Margen sowie stabilen Einnahmen und Gewinnen zusammensetzt – siehe hierzu auch nachfolgenden Vergleich des Kurs-Gewinn-Verhältnisses, kurz KGV. Zur Jahrtausendwende waren viele Kurse noch eher von reiner Gewinnphantasie getrieben als von echten Geschäftserfolgen. Technologieaktien waren doppelt so hoch bewertet wie heute, wie die folgende Grafik zeigt. Hinzu kommt, dass die Tech-Riesen mittlerweile eine derart große Marktmacht erlangt haben, dass es neuen Wettbewerbern kaum möglich ist, ihnen gefährlich zu werden.
Diese Marktmacht führt allerdings auch dazu, dass die Stimmen aus der Politik lauter werden, die marktbeherrschende Stellung durch eine Zerschlagung oder deutlich stärkere Regulierung der Konzerne zu brechen. Dies ist ein Beispiel dafür, dass die Technologiebranche alles andere als ein risikoarmer Selbstläufer ist.
Festzuhalten bleibt: In wesentlichen Aspekten (Zins- und Liquiditätsumfeld, KGV) hinkt der Vergleich mit 2000. Inzwischen sind zwei Jahrzehnte vergangen, in denen sich die Digitalisierung in vielen Bereichen des Lebens enorm beschleunigt hat. Themen wie künstliche Intelligenz, Big Data, Cloud-Computing, PC-Sicherheitsfragen, Homeoffice, Streaming-Dienste oder Onlineshopping dürften sogar noch mehr an Bedeutung gewinnen. Aktien aus dem Technologiesektor bleiben folglich spannend.
Allerdings gibt es auch innerhalb des Technologiesektors Gewinner und Verlierer. Der technologische Wandel schreitet immer schneller voran – vieles, was gestern noch Zukunftsvision war, gehört heute zum Alltag und kann morgen schon überholt sein. Produkte, die gestern noch zur wegweisenden Innovation gekürt wurden, können bereits heute Ladenhüter sein (wer erinnert sich noch an einstige Marktführer und absolute Börsenlieblinge wie Nokia oder Blackberry?). Dieser Umstand dürfte auch zukünftig dafür sorgen, dass es bei den Aktien innerhalb des Technologiesektors zu teils heftigen Schwankungen kommen wird und dass es auch in diesem Sektor unmöglich ist, systematisch und mit nachhaltigem Anlageerfolg die Gewinner von morgen vorauszuahnen.
Schlussfolgerungen für Anleger
Die zuletzt gesehene enorme Outperformance der Tech-Aktien, die zu den sogenannten Wachstumswerten und auch zu den sogenannten Momentumwerten (Aktien mit zuletzt hoher Kursdynamik) zählen, hat bei vielen Anlegern Begehrlichkeiten geweckt. Sie neigen dazu, Technologieaktien in ihrem Depot einen überdurchschnittlich hohen Stellenwert einzuräumen und dabei andere, ebenfalls relevante Sektoren, wie z. B. Value-Aktien (Substanzwerte, die an der Börse unterbewertet sind und u. a. ein im Vergleich zum Marktwert hohes Eigenkapital aufweisen), zu vernachlässigen. Ist das sinnvoll?
Wir denken, nein. Einerseits bleiben Technologieaktien zwar grundsätzlich aussichtsreich, andererseits haben sie aber bereits viel Positives in den aktuellen Kursen vorweggenommen. Auch wenn das heutige KGV-Niveau der Technologieaktien – wie bereits erwähnt – deutlich unter dem zu Zeiten der Dotcom-Blase liegt, sind Tech-Aktien derzeit nichtsdestotrotz alles andere als billig (im historischen Vergleich und auch gegenüber anderen Branchen). In bestimmten Segmenten sind sogar regelrechte „Kursexzesse“ zu beobachten, z. B. bei Anbietern für Videokonferenzlösungen.
Hinzu kommt: Der Gegenwind für IT-Konzerne dürfte stärker werden: Sie sind mittlerweile derart groß, dass starkes Wachstum und somit die Erfüllung der hohen Anlegererwartungen immer schwieriger wird. Darüber hinaus leiden sie unter dem US-chinesischen Handelskrieg und die Bedenken ihrer Kunden wegen des mangelnden Schutzes der Privatsphäre nehmen auch zu.
Unserer Einschätzung nach geht es hier nicht um ein „Entweder-oder“, sondern vielmehr um ein „Sowohl-als-auch“. Wie bereits des Öfteren in unseren Publikationen dargelegt, sollte man Anlagebereiche, die für die breit gestreute globale Aktienanlage essentiell sind, wie z. B. Value-Aktien, wegen der schlechten Entwicklung der letzten Jahre – oder gerade deswegen – nicht abschreiben. An dieser Stelle ergibt sich übrigens doch noch eine Analogie zum Jahr 2000. Zu Zeiten der Dotcom-Blase führten die angesprochenen Value-Werte ebenfalls ein Mauerblümchen-Dasein und wurden im Zuge der Entzauberung der Tech-Werte spektakulär wiederentdeckt.
Substanzaktien mit einer vergleichsweise attraktiven Bewertung sichern im Zusammenspiel mit klassischen Standardwerten, Nebenwerten, Momentumaktien und Aktien, die sich durch eine niedrige Schwankungsintensität auszeichnen, eine robuste Portfolio-Diversifikation. Eine solche, idealerweise an der Marktkapitalisierung orientierte Streuung, sorgt auch dafür, dass der Anteil an einzelnen Aktien oder Branchen nicht über ein verträgliches Maß hinausgeht. Mögliche stärkere Korrekturen im IT-Sektor werden auf diese Weise abgefedert. Umkehrschluss: Die weitreichende Konzentration auf die schwankungsfreudigen Aktien des Technologiesektors bzw. der Fokus auf nur einen einzigen Aktienindex ist schlichtweg zu risikoreich und stellt eine Wette mit hohem Einsatz dar – da sollte man sich auch von dem derzeit sehr guten Lauf der Tech-Aktien nicht blenden lassen.
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