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Entspannung an der Inflationsfront?

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Spätestens seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine vor gut einem Jahr ist die Inflation in aller Munde. Ausgehend von einem ohnehin schon erhöhten Niveau zog sie in den Folgemonaten dynamisch an. Seit Ende letzten Jahres hat sich dieser Trend umgekehrt und die aktuellen Schnellschätzungen für den Monat März deuten an, dass sich diese Trendumkehr weiter verfestigt. In Deutschland sank die auf Grundlage des Verbraucherpreisindexes ermittelte Inflation von 8,7 % im Februar auf nunmehr 7,4 %, gemessen jeweils gegenüber dem Vorjahresmonat. In der Euro-Zone gab sie sogar von 8,5 % auf 6,9 % nach. In Deutschland ist das der geringste Wert seit letztem August, in der Euro-Zone gar seit Februar 2022.

Wir möchten an dieser Stelle einen genaueren Blick hinter diesen grundsätzlich erfreulichen Trend werfen und beleuchten, wie diese Entwicklung im Detail zustande gekommen ist und ob sich daraus etwas für die künftige Preisentwicklung ableiten lässt.

Deutliche Unterschiede bei einzelnen Preisen

Grundsätzlich tragen Waren und Dienstleistungen jeweils rund die Hälfte zur Inflationsrate bei. In letzter Zeit trieben vor allem die Preise für Lebensmittel und Energie, die zur Gruppe der Waren zählen, die Inflation nach oben. Hier zeigen sich nun im März folgende Besonderheiten:







In der Euro-Zone ist die Entwicklung in der Tendenz ähnlich, wobei die Anteile der Lebensmittel- und Energiepreise an der Inflationsrate mit 20 % bzw. 10,2 % deutlich höher sind als in Deutschland mit 10,5 % bzw. 7,4 %.            







Inflationsraten in Deutschland

Während also die Lebensmittelpreise nach wie vor bedenklich stark steigen, sieht es bei den Energiepreisen fast schon nach einer Vollbremsung aus. Letzteres basiert auf verschiedenen Effekten:









Im Dienstleistungsbereich, in dem Löhne eine wichtige Rolle spielen, zeigte sich im März – so wie bei den Lebensmitteln – wenig Veränderung. Sowohl in Deutschland als auch in der gesamten Euro-Zone zogen die entsprechenden Preise im März um rund 5 % gegenüber März 2022 an – ein ähnliches Bild wie in den Vormonaten.

Kerninflation bleibt hartnäckig

Insgesamt ist der aktuelle Inflationstrend erfreulich, wenngleich er nicht frei von Problemen ist. Das verrät der Blick auf die sogenannte Kerninflation. Bei dieser speziellen Inflationsberechnung werden die meist sehr schwankungsanfälligen Preise für Energie und Nahrungsmittel ausgeklammert. Während höhere Inflationsraten vorübergehend von der Entwicklung der letztgenannten Preise verzerrt sein können, gibt die Kernrate der Inflation ein realistischeres Bild der zugrundeliegenden Inflationsdynamik ab.

In der Euro-Zone lag die Kerninflation im März laut Vorabschätzung bei 5,7, %, nach 5,6 % im Februar. Für Deutschland wird im Rahmen der Schnellschätzung keine Kernrate veröffentlicht, die Tendenz dürfte hier aber im März ähnlich gewesen sein, der Februar-Wert lag bei 5,7 %.

Quote zum Thema Krise ist, wenn die Sparer glauben, dass Krise ist

Dass sich die Kernrate, im Gegensatz zur allgemeinen Inflationsrate, noch immer auf einem leicht aufsteigenden Ast befindet, ist ein erster Hinweis auf die Gefahr, dass sich die Inflation in der Wirtschaft hartnäckig festsetzen könnte.  

Auch die Veränderungsrate, die die Preisentwicklung im unmittelbaren Monatsvergleich misst, ist ein Zeichen einer nach wie vor noch nicht gebrochenen Inflationsdynamik. Mit 0,8 % in Deutschland bzw. 0,9 % in der gesamten Euro-Zone lagen die Werte im März im Vergleich zum Februar dieses Jahres nach wie vor noch recht deutlich über dem Durchschnittswert der letzten fünf Jahre von rund 0,3 %.

EZB bleibt kämpferisch

Die noch relativ hartnäckige Kerninflation dürfte dazu beitragen, dass die EZB ihren Zinserhöhungskurs zur Inflationsbekämpfung vermutlich weiter fortsetzen wird. Zuletzt hatte die Notenbank den Leitzins Mitte März um weitere 0,5 % auf 3,5 % erhöht. Dass sie dies trotz der jüngsten Turbulenzen im Bankensektor getan hat – was eigentlich eine Zinssenkung oder zumindest keine weitere Erhöhung nahegelegt hätte (siehe auch unser Logbuch vom 24. März 2023 „Banken unter Stress – Einzelfälle oder erneute Systemkrise?“) –, ist aus unserer Sicht ein vertrauensbildendes Signal in einem immer noch von vielen Unsicherheiten geprägten Umfeld. 

Vor dem Hintergrund einer insgesamt rückläufigen Inflationstendenz, die letztlich auch die Kerninflation dämpfen wird, gehen wir aber trotzdem davon aus, dass der Zinserhöhungszyklus im Jahresverlauf endet. Schon der nächste Zinsschritt im Mai könnte mit geschätzten 0,25 Prozentpunkten geringer ausfallen als die jüngsten 0,5 %-Schritte.

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Ein Blick nach vorn

Die Ökonominnen und Ökonomen der Europäischen Zentralbank selbst gehen aktuell von einer durchschnittlichen Inflation im Euro-Raum von 5,3 % für 2023 aus. Für 2024 und 2025 projizieren sie eine Preissteigerung von 2,9 bzw. 2,1 % und damit schon in ca. zwei Jahren wieder eine Rückkehr zum Normalmaß, sprich dem EZB-Inflationsziel von 2 %.

Auch wir gehen davon aus, dass sich der Inflationstrend in den nächsten Monaten weiter abschwächen wird. Vor allem der Basiseffekt dürfte seine Wirkung weiter entfalten – nicht nur im Energiebereich, wo er sich bereits deutlich gezeigt hat. Zudem sollten auch die tendenziell weiter abnehmenden Lieferkettenprobleme der Unternehmen preisdämpfend wirken.

Entscheidend dafür, wie es an der Inflationsfront weitergeht, ist sicherlich auch die Lohnentwicklung. In Deutschland stehen derzeit besonders die relativ hohen Forderungen von über 10 % von ver.di und der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) im Fokus. Es gibt allerdings auch eine Reihe von Branchen, die hier deutlich defensiver agieren. Jüngste Unternehmerumfragen(1) gehen für dieses Jahr überraschenderweise von durchschnittlichen Lohnsteigerungen im Bereich von lediglich 5 % aus. Ob sich das als eine zu optimistische Schätzung erweisen wird, hängt nicht zuletzt davon ab, in welchem Ausmaß die unter Umständen sehr hohen Abschlüsse bei ver.di und EVG richtungweisend für die übrigen Branchen sein werden.

Natürlich ist der Wunsch nach einem Ausgleich für Reallohnverluste mehr als verständlich – übermäßige Lohnerhöhungen können allerdings für die Inflationsbekämpfung kontraproduktiv sein, denn sie erhöhen die Gefahr einer Lohn-Preis-Spirale. In der Hinsicht kann man nur hoffen, dass auch bei den Tarifverhandlungen berücksichtigt wird, dass wir es bei der aktuellen Inflation eben nicht mit auf Dauer angelegten Preissteigerungen zu tun haben, sondern mit dem Ergebnis eines Angebotsschocks, der auch wieder abebben wird. Insofern sind Verhandlungsergebnisse speziell dann zu begrüßen, wenn sie als „Inflationsentschädigung" (je nach Einkommen unterschiedlich hohe) Einmalzahlungen vorsehen anstatt pauschaler Lohnerhöhungen. 

Der kritische Blick darf sich aber nicht nur auf die Löhne richten. Viele Unternehmen konnten im letzten Jahr gestiegene Einkaufspreise an die Kundschaft weiterreichen – manchmal auch über das notwendige Maß hinaus –, zugunsten der eigenen Gewinne und zulasten der Inflation. Deutlich hat sich das beispielsweise in der Reisebranche gezeigt, wo die höheren Preise fast ohne Umsatzeinbußen an die Kunden weitergereicht werden konnten. Nach Corona wollten die Menschen einfach wieder reisen, buchstäblich „koste es, was es wolle“. Die Preisüberwälzungsspielräume werden sich aber in Zukunft einengen, weil die Preistoleranz der Verbraucherinnen und Verbraucher langsam an ihre Grenzen kommen dürfte. 

Insgesamt gehen wir davon aus, dass die zu erwartenden Lohnabschlüsse im mittleren bis höheren einstelligen Bereich keine Lohn-Preis-Spirale auslösen werden.

Fazit

Auch nach den Zahlen der aktuellen Vorabschätzungen ist das Inflationsproblem noch nicht beseitigt. Insbesondere die nach wie vor stark ansteigenden Lebensmittelpreise sowie eine hartnäckige Kernrate sind belastend. Der einsetzende Basiseffekt, verbesserte Lieferketten, nicht ausufernde Löhne und die stabilitätsorientierte EZB-Politik sollten aber dafür sorgen, dass sich nicht nur die „normale“ Inflationsrate deutlich zurückbildet, sondern letztlich auch die noch hartnäckige Kernrate

Autor: Prof. Dr. Stefan May, Leiter Anlagestrategie und Produktentwicklung der Quirin Privatbank

 


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Der Beitrag ist mit größter Sorgfalt bearbeitet worden. Er enthält jedoch lediglich unverbindliche Analysen und Erläuterungen. Die Angaben beruhen auf Quellen, die wir für zuverlässig halten, für deren Richtigkeit, Vollständigkeit und Aktualität wir aber keine Gewähr übernehmen können. Die Informationen wurden einzig zu Informations- und Marketingzwecken zur Verwendung durch den Empfänger erstellt und können keine individuelle anlage- und anlegergerechte Beratung ersetzen.

Die Informationen stellen keine Anlage- Rechts- oder Steuerberatung, keine Anlageempfehlung und keine Aufforderung zum Erwerb oder zur Veräußerung dar. Die Vervielfältigung und Weiterverbreitung ist nicht erlaubt. Kein Teil darf (auch nicht auszugsweise) ohne unsere ausdrückliche vorherige schriftliche Genehmigung nachgedruckt oder in ein Informationssystem übertragen oder auf irgendeine Weise gespeichert werden, und zwar weder elektronisch, mechanisch, per Fotokopie noch auf andere Weise.

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