Die wirtschafts- und finanzpolitischen Kernpunkte der Big Beautiful Bill
- Steuerbegünstigungen für Unternehmen und Gutverdienende
- vorerst Beibehaltung des Unternehmenssteuersatzes in Höhe von 21 %1
- Entlastungen für „Normal“- und „Gering“-Verdienende, z. B. durch höhere Freibeträge für Senioren und Familien sowie Steuerfreiheit von Trinkgeld & Überstunden
- Ausgabenprogramme für Verteidigung und Grenzsicherung (jeweils ca. 150 Mrd. US-Dollar) mit besonderem Fokus auf Künstlicher Intelligenz (KI)
- zusätzliche Förderungen für „alte“ Energieträger, wie Kernkraft und Kokskohle
- fortgesetzte Entbürokratisierung
- massive Ausgabenkürzungen in sozialen Bereichen, wie z. B. bei der Krankenversicherung Medicaid (in den nächsten 10 Jahren bis zu einer Bio. US-Dollar)2, bei Essensmarken-Programmen und bei Studentenkrediten
- Kürzungen bei den Subventionierungen „neuer“ Energien
- Ausweitung der Schuldenobergrenze um 5 Bio. US-Dollar von 36,1 auf 41,1 Bio. US-Dollar
Mögliche Auswirkungen auf das US-Wachstum
Bevor wir auf konkrete und greifbare Auswirkungen dieses Gesetzes näher eingehen, lassen Sie uns zunächst einen Blick auf die aktuelle Situation werfen, einschließlich kurzfristiger Wachstumsprognosen, die noch vor dem offiziellen Durchwinken des Gesetzes erstellt wurden.
Die nachfolgende Grafik zeigt das Wachstum des US-Bruttoinlandsprodukts (BIP) seit 2015 inkl. der jüngsten Einschätzungen des Internationalen Währungsfonds (IWF).
Nach zuletzt erfreulich kräftigem Wachstum rechnete der IWF zuletzt für dieses und nächstes Jahr mit einem Rückschritt um rund einen Prozentpunkt – damit würde das BIP-Wachstum vorerst deutlich unterhalb des 10-Jahres-Durchschnittes landen (2,5 % p. a.). Die Schätzungen waren vor allem von den Zollstreitigkeiten geprägt, aber auch noch von den Nachwehen der (Leit-)Zinserhöhungen in 2022 und 2023, wie dem verteuerten Refinanzierungsumfeld und erhöhten Sparanreizen. Einige andere Wirtschaftsforschungsinstitute und Analysehäuser, wie das Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW Kiel) oder auch BlackRock und Reuters, waren mit ihren jüngsten Schätzungen von rund 1,5 % p. a. sogar noch etwas pessimistischer.
Die sich bereits seit einiger Zeit abzeichnende Trump-Agenda mit Steuererleichterungen und riesigen staatlichen Investitionsprogrammen haben die Prognostiker offenbar wenig beeindruckt. Stattdessen sehen sie eher das Risiko längerer Zurückhaltung beim privaten Konsum und bei den Investitionen der Unternehmen. Der Verlust des Vertrauens in das eigene Land lässt grüßen. Auch die Trump’sche Migrationspolitik bereitet vielen Analystinnen und Analysten wegen der damit einhergehenden Arbeitskräfteknappheit gewisse Sorgen. Zudem wird die mögliche Rückkehr stark anziehender Inflationsraten befürchtet, angefacht durch hohe Importzölle, welche an Verbraucherinnen und Verbraucher eins zu eins durchgereicht werden dürften. Ein anhaltend schwacher Dollar könnte die Importgüter zusätzlich verteuern.
US-Schuldenausweitung zunehmend kritisch beäugt
Die durch das „große, schöne Gesetz“ ermöglichte erhebliche Schuldenausweitung ist Anlass für weitere Befürchtungen, die auch wir teilen. Schon heute weisen die USA eine vergleichsweise hohe Staatsschuldenquote (Schulden in Relation zum BIP) auf. Im Jahr 2024 lag sie durchschnittlich bei rund 121 %, während z. B. die Euro-Zone mit zuletzt rund 87 % und speziell Deutschland mit rund 63 % noch deutlich mehr Spielraum für eine Schuldenausweitung aufweisen. Dazu lag das US-Haushaltsdefizit in Relation zum BIP im letzten Jahr bei stolzen 6,3 % (Deutschland und die Euro-Zone im Bereich von 3 %).
Staatliche Stellen, wie das Congressional Budget Office, beziffern die aus dem Gesetz resultierende Neuverschuldung auf rund 3,4 Bio. US-Dollar zuzüglich voraussichtlicher Zinskosten von 700 Mrd. Dollar über die nächsten 10 Jahre. Die Schuldenquote dürfte sich demnach weiter in Richtung 130 % bewegen. So manches Analysehaus sieht hier aber das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht und ruft die USA schon als das neue Japan aus, was angesichts der dortigen Schuldenquote von knapp 240 % nach unserer Einschätzung dann doch etwas übertrieben ist.
Was neben einer möglichen Erosion der langfristigen Schuldentragfähigkeit bereits kurzfristig Sorgen bereitet, ist ein durch steigende Staatsschulden ausgelöster weiterer Renditeanstieg bei US-Staatsanleihen3. Sollte es tatsächlich dazu kommen, wird dies auch auf die übrigen US-Anleihe- und -Kreditmärkte ausstrahlen und dadurch die Refinanzierung von Unternehmen insgesamt verteuern. Im schlimmsten Fall könnte es sogar zu einem sogenannten vollständigen Crowding-out-Effekt kommen, was bedeutet, dass durch die staatlichen kreditfinanzierten Investitionsprogramme private Investitionen verdrängt werden. Das wäre dann das genaue Gegenteil von dem, was eigentlich beabsichtigt ist, nämlich die Entfesselung der Eigendynamik der US-Wirtschaft.
Dass ein solches Szenario nicht völlig unwahrscheinlich ist, zeigt die Tatsache, dass US-Staatsanleihen schon jetzt mit Renditesteigerungen zu kämpfen haben – ursprünglich ausgelöst durch die Inflationsentwicklung und verstärkt durch den schon erwähnten Verlust des Vertrauens in die USA. Höhere Schuldenberge könnten diesen Trend verstärken.
Das Kalkül der US-Regierung …
Die US-Administration wischt all diese Sorgen konsequent beiseite und verspricht sich von dem Gesetz stattdessen einen erheblichen Wachstumsschub. Regierungsnahe Expertenkreise4 stellen ein nachhaltiges BIP-Wachstum im Bereich von 3 bis 5 % p. a. in Aussicht. Vor allem durch die wachstumsbedingten zusätzlichen Steuereinnahmen wird man – so die Hoffnung – aus den Schulden „herauswachsen“, so dass sich die staatlichen Defizite gewissermaßen von selbst finanzieren. Auch wenn durchaus mit einem Wachstumsimpuls zu rechnen ist, erscheint uns diese Prognose angesichts der beschriebenen Problemfelder doch deutlich zu optimistisch.
… und unabhängiger Beobachter
Was wir uns aber durchaus vorstellen können, sind Wachstumsprojektionen, wie sie derzeit von unabhängigen US-Institutionen entworfen werden. So rechnen die Yale sowie die Penn University oder auch der Think Tank Tax Foundation mit zusätzlichen Wachstumsimpulsen von 0,5 bis 1,0 % pro Jahr, allerdings nur auf Sicht der nächsten beiden Jahre. Aufgrund der massiven Investitionsprogramme könnte das durchaus gelingen, was auch den schwächelnden Dollar stützen würde.
Bei allen auf die USA bezogenen Einschätzungen sollte man auf der Rechnung haben, dass Trump maximal „situationselastisch“ bleiben wird. Sollte sein Gesetz tatsächlich kontraproduktiv wirken – in der Wirtschaft oder speziell auch an den Finanzmärkten –, so ist jederzeit mit einer Kehrtwende zu rechnen. Nicht von ungefähr sprechen viele mit Blick auf Trump vom sog. „TACO“-Effekt. Er steht für „Trump Always Chickens Out“, was – zurückhaltend übersetzt – so viel bedeutet wie: Trump gibt am Ende immer nach.
Das damit verbundene zusätzliche Unsicherheitsmomentum unterstreicht unsere Position, dass man aus den derzeit kursierenden Negativszenarien keine Anlageentscheidungen ableiten sollte. Zumal es ja durchaus auch Positives zu berichten gibt.
US-Firmengewinne machen Hoffnung
Was in jedem Fall Hoffnung macht, sind die anhaltend widerstandsfähigen US-Unternehmensgewinne. Analysen gehen für 2025 und 2026 im weitgehenden Konsens von einem erfreulichen Gewinntrend aus, wie die folgende Grafik zeigt.
Allerdings hängt dieser positive Trend weiterhin sehr stark vom Wohl und Wehe der großen US-Tech-Konzerne ab. Allein die sechs Tech-Riesen Microsoft, Amazon, Nvidia, Alphabet (ex Google), Meta (ex Facebook) und Broadcom stehen für rund 20 % der S&P-500-Unternehmensgewinne5. Ihre Dominanz ist jedoch nicht in Stein gemeißelt: Aufgrund überraschender anderweitiger Einflüsse kann es jederzeit passieren, dass andere Sektoren die Tech-Branche überflügeln. Doch wie auch immer: Durch die im Rahmen der „Big Beautiful Bill“ geplanten KI-Investitionen werden die Gewinne dieser Konzerne zunächst noch einmal befeuert.
Die US-Wirtschaft ist derzeit zwar mit vielen Belastungsfaktoren konfrontiert, die Befürchtung einer tiefen und anhaltenden Rezession ist aus unserer Sicht aber übertrieben.
Weltwirtschaft stemmt sich gegen den Abwärtstrend
Wenn wir den Fokus auf die globale Wirtschaftsentwicklung richten, sehen wir auch dort Verschleißerscheinungen. Der Internationale Währungsfonds (IWF) schätzte in seiner April-Prognose das weltweite Wirtschaftswachstum für die Jahre 2025 und 2026 auf 2,8 bzw. 3,0 %.
Das renommierte IfW Kiel kommt in seiner aktuellen Juni-Schätzung auf ähnliche Werte, nämlich jeweils 2,9 % für die beiden erwähnten Jahre. Das ist zwar unterdurchschnittlich, wenn man sich die Mittelwerte der letzten 10 Jahre (3,2 %) anschaut, aber meilenweit entfernt von einem globalen Konjunktureinbruch. Das liegt auch daran, dass andere Weltregionen die mutmaßliche Schwäche der US-Wirtschaft teilweise auffangen dürften, insbesondere auch Europa und ausgewählte Schwellenländer.
Alles in allem bieten die zu erwartenden Wachstumsraten nach unserer Einschätzung immer noch genügend Treibstoff für steigende Unternehmensgewinne und somit Unterstützung für die Aktienmärkte. Zur Wahrheit gehört allerdings auch: Nachdem viele bekannte Aktienindizes zuletzt neue Rekordstände erklommen haben, sollte eine „Sommerpause“ an den Börsen nicht verwundern.