Wenn es um Geldanlage an den Kapitalmärkten geht, dann bevorzugen Privatanlegerinnen und Privatanleger in der Regel Investmentfonds. Das ist grundsätzlich erfreulich, denn die in der Regel breite Streuung der Fonds führt zu einer deutlichen Risikoreduzierung im Vergleich zu direkten Investments in einzelne Aktien oder Anleihen.
Gegensätzliche Anlagephilosophien
Bei der Entscheidung, welcher Anlagephilosophie man bei einer Fondsinvestition folgt, prallen aber zwei Welten aufeinander.
- Auf der einen Seite stehen die üblichen aktiv gemanagten Fonds – aktiv im Sinne prognosebasierter Anlageentscheidungen. Hier wählt das Fondsmanagement gezielt Anlagen aus (z. B. einzelne Unternehmen, Branchen, Märkte), von denen es glaubt, dass sie mehr Rendite bringen als der Rest („Stock Picking“). Zudem versucht es, möglichst günstige Ein- und Ausstiegspunkte abzupassen („Market Timing") – alles mit dem Ziel, besser abzuschneiden als der Markt bzw. als ein für den Fonds repräsentativer Finanzindex.
- Auf der anderen Seite findet sich die Philosophie prognosefreier Strategien, die dem Gesamtmarkt folgen und gar nicht erst darauf abzielen, diesen hinter sich zu lassen. Der Fokus bei der Umsetzung liegt hier in der Regel sinnvollerweise auf kostengünstigen ETFs.
Unser Standpunkt dazu ist eindeutig: Wir bevorzugen die prognosebefreite Variante, weil allen einschlägigen Studien[1] zufolge prognoseabhängige, aktive Fondsstrategien nicht nachhaltig erfolgreich sind, sprich langfristig hinter entsprechenden Vergleichsindizes bzw. prognosefreien Pendants zurückbleiben. Verantwortlich dafür sind schlechtes Timing, falsche Einzeltitelauswahl und nicht zuletzt die deutlich höheren Kosten (für das Fondsmanagement) im Vergleich zu prognosefreien Strategien. Mit prognosebasierten Fondsinvestments holt man sich letztlich nur unnötige Risiken ins Portfolio und bezahlt auch noch dafür.
Aktive Strategien bei Privaten weiterhin beliebt
Nichtsdestotrotz ist hierzulande – speziell bei Privatanlegerinnen und Privatanlegern – aktives Management immer noch sehr beliebt – zum einen wegen der Dominanz der provisionsbasierten Anlageberatung und der entsprechenden Lobby- und Öffentlichkeitsarbeit zugunsten von prognosebasierten und gleichzeitig kostspieligen Anlageprodukten, die der Branche gutes Geld einbringen. Zum anderen ist die mit solchen Produkten verbundene Prognose-Aktivität – sprich die „richtigen“ Titel zu kaufen und zu günstigen Zeitpunkten ein- und auszusteigen – gedanklich meistens positiv besetzt. Dass sich jemand in dieser Weise um eine Anlage kümmert, vermittelt natürlich Sicherheit, leider aber eben eine trügerische. Die positiven Erfahrungen, die man mit verstärkten Aktivitäten in vielen anderen Lebensbereichen macht, lassen sich eben nicht auf die Prognose-Aktivitäten im Anlagemanagement übertragen.
Die trotz des erfreulich wachsenden Zuspruchs für ETF-Investments immer noch starke Vorherrschaft von aktiven Fonds zeigt sich in der aktuellen Verteilung der Fondsvolumina in Deutschland, was die nachfolgende Grafik verdeutlicht.
Neben der Tatsache, dass die überwiegende Mehrheit der Fonds Strategien verfolgt, die den Anlegerinnen und Anlegern nachweislich nichts nützen, gibt es noch einen anderen anlagerelevanten Aspekt, auf den wir an dieser Stelle hinweisen möchten – nämlich die sogenannte Schwund- bzw. Überlebensquote aktiv gemanagter Investmentfonds.
Aktive Fonds mit erschreckend geringer Überlebensrate
Regelmäßige Untersuchungen zeigen, dass der Anteil von Fonds, die nach einer bestimmten Zeit geschlossen werden, erschreckend hoch ist. Den meisten Anlegerinnen und Anlegern ist diese Tatsache gar nicht bewusst, zumindest nicht in ihrer ganzen Tragweite – dies vor allem deshalb, weil man es selten in den Medien liest. Auch die Schließung eines Fonds ist letztlich ein Zeugnis von Erfolglosigkeit, denn er schließt seine Pforten natürlich nicht, wenn er gutes Geld verdient, sondern in aller Regel dann, wenn er sich relativ schlecht entwickelt und keine positive Aufmerksamkeit mehr auf sich zieht.
Die nachfolgende Grafik verdeutlicht anhand von in Europa gelisteten regional fokussierten Aktienfonds, dass nach 10 Jahren gerade einmal etwas mehr als die Hälfte der ursprünglich betrachteten Fonds übrigbleibt.
Die erheblichen Schwundraten zeigen sich übrigens nicht nur bei Aktienfonds, sondern auch in anderen Fondskategorien, wie die folgende Grafik belegt.
Was bedeutet das alles für die Vermögensanlage?
Für Anlegerinnen und Anleger hat die skizzierte Problematik im Wesentlichen zwei Konsequenzen. Zum einen müssen sie damit rechnen, dass Zahlen zum Erfolg aktiver Fonds zu hoch ausgewiesen werden, weil bei ihrer Ermittlung häufig ausschließlich die über den betrachteten Zeitraum hinweg „überlebenden“ Fonds berücksichtigt werden, was die Erfolge ja positiv verzerrt. In diesem Zusammenhang spricht man im Fachjargon vom sogenannten „Survivorship Bias“.
Der andere Aspekt betrifft den Fall, dass man unglücklicherweise in einen Fonds investiert hat, der überraschend geschlossen wird. Dann ist das investierte Geld ja nicht (komplett) verloren, sondern es ergeben sich zwei Möglichkeiten.
- Auszahlung des Liquidationserlöses:
Dies dürfte dann aber in den meisten Fällen mit einer Verlustrealisierung einhergehen und man steht dann unfreiwillig an der Seitenlinie des Kapitalmarktes. Gebeutelt vom wahrscheinlichen Misserfolg der Anlage, entscheiden sich dann womöglich viele dafür, erst einmal nicht zu reinvestieren. Dabei ist eine wesentliche Voraussetzung für den Anlageerfolg, langfristig diszipliniert investiert zu bleiben, in guten wie in schlechten Zeiten. - Verschmelzung mit einem anderen Fonds:
In diesem Fall wird das investierte Vermögen unter Umständen in einen Fonds mit einer abweichenden Anlagestrategie umgeschichtet, was ebenfalls kontraproduktiv ist.
Fazit
Der starke Fondsschwund wirft ein weiteres Schlaglicht darauf, wie schwer es ist, mit aktiven, prognosegetriebenen Anlagestrategien dauerhaft erfolgreich zu sein. Wer clever ist, begibt sich erst gar nicht auf die holprige aktive Spielwiese, sondern wählt den gut befestigten Weg des prognosefreien Investierens.
Autor: Prof. Dr. Stefan May, Leiter Anlagestrategie und Produktentwicklung der Quirin Privatbank
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