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Trump: strahlender Sieger im Zollstreit?

Prof. Dr. Stefan May
,
Leiter Anlagestrategie und Produktentwicklung
7
Minuten

Spiel, Satz und Sieg, so tönt es u. a. derzeit, wenn es um den von Trump angezettelten Zoll- bzw. Handelskrieg geht (obwohl er ja eigentlich Golf- und kein Tennisspieler ist). Erfolg für die USA auf der ganzen Linie, bittere Niederlagen für Europa, Brasilien, die Schweiz und so weiter – die Liste der ehemals guten US-Handelspartner, die unter Trump zu „Handelsgegnern“ mutierten, ist lang. Und alle, so scheint es auf den ersten Blick, müssen sich der Übermacht Trumps bzw. der USA – der immerhin mit Abstand größten Volkswirtschaft der Welt – geschlagen geben.

Das Wichtigste in Kürze

  • Von vielen Seiten heißt es jetzt, dass Trump der große Sieger im Zollstreit sei.
  • Kurzfristig mag das durchaus stimmen, auf längere Sicht jedoch ergibt sich ein gänzlich anderes Bild.
  • Zoll- und Handelskonflikte kennen am Ende meist nur Verlierer.
  • Die EU hat ebenfalls Handelshemmnisse aufgebaut, zwar nicht in Form von hohen Zöllen, aber auf andere Art und Weise.

Trumps Sicht der Dinge

Trumps Verständnis nach bedeutet sein Erfolg nichts anderes als: Geld, das bisher Europa und Co. durch Exporte in die Vereinigten Staaten unbotmäßig eingestrichen haben, fließt demnächst teilweise – in Höhe der erhobenen Zölle – in den US-Staatssäckel. Trump argumentiert, dass die USA beispielsweise mehr Waren aus Europa importieren, als sie dorthin exportieren. Er betrachtet dieses Defizit als Ergebnis unfairer Handelspraktiken und grober Handelshemmnisse seitens der Europäer. Die Lösung sieht er darin, europäische Produkte durch Zölle (aktuell 15 %) zu verteuern, um die Wettbewerbsfähigkeit amerikanischer Waren zu stärken und „faire“ Handelsbedingungen zu erzwingen.

Keine Sorge, liebe Leserinnen und Leser, wir möchten uns nicht in der Pressestelle des Weißen Hauses oder für den Beraterstab Donald Trumps bewerben. Wir möchten nur – etwas überspitzt – unseren Eindruck von der aktuellen öffentlichen Debatte in Sachen Zollstreit schildern. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, wird das aktuelle (Zoll-)Geschehen in etwa so dargestellt wie eingangs geschildert – zumindest in den Überschriften – und viel weiter wird heutzutage in vielen Fällen ja meist nicht mehr gelesen.

Ein Pyrrhussieg

Das Problem dabei: Diese Interpretation offenbart ein tiefgreifendes Missverständnis in Bezug auf die Funktionsweise von internationalem Handel und Zöllen. Verstehen Sie uns bitte nicht falsch: Trump hat sich zweifelsohne durchgesetzt – vorerst. Den Verhandlungspartnern – nicht nur denen in der EU – ist es offenkundig nicht gelungen, den vielzitierten „Zollhammer“ erträglicher ausfallen zu lassen. Trump hat die Schlagzeilen bekommen, die er sich gewünscht hat und die er auch braucht, wenn man auf seine aktuellen mauen Beliebtheitswerte schaut. Jetzt vollmundig zu verkünden, dass er oder vielmehr die USA „gewonnen“ hätten, geht aber an der Sache vorbei.

Zugegeben: Die Zolleinnahmen der USA sind in der ersten Jahreshälfte 2025 stark gestiegen. Lagen die durchschnittlichen monatlichen Zolleinnahmen im Jahr 2024 (vor dem eskalierten Zollkonflikt) noch bei 7,2 Mrd. US-Dollar, so stiegen sie bis zuletzt auf 27,2 Mrd. USD allein im Juni 2025 an – fraglos eine beträchtliche Steigerung. Trump stellt dies ja immer wieder ganz bewusst in den Vordergrund (gern unter Zuhilfenahme großer Tafeln).

Der bloße Blick auf die Zahlen scheint Trump somit recht zu geben – nur mit der Interpretation ist das so eine Sache. Auch wenn es der US-Präsident gerne so hätte, dass die Zölle ohne „Nebenwirkungen“ für die USA vom Ausland bezahlt werden, ist das ökonomisch betrachtet mindestens zweifelhaft. Grund: Die Importeure in den USA werden die durch die erhobenen Zölle verursachten Mehrkosten in der Regel eins zu eins an die heimischen Endverbraucherinnen und -verbraucher weiterreichen. Dies gilt insbesondere für schwer durch andere oder heimische Produkte ersetzbare Waren, über die eher symbolisch auch im Rahmen der künftigen Handelsbeziehungen zwischen den USA und Europa verhandelt wird: deutsche Autos, französischer Champagner oder Schweizer Medikamente. Die Zeche dürften also am Ende zum größten Teil die US-Konsumenten zahlen.

Zölle mit Steuern vergleichbar

In den derzeitigen Diskussionen (insbesondere auch unter Volkswirtinnen und Volkswirten) rund um das Zollthema mehren sich daher die Stimmen, die Zölle mit der Erhebung von Steuern gleichsetzen – und zwar für die privaten Haushalte des Zölle erhebenden Landes, in diesem Fall also der USA. Denn Zölle und Steuern haben beide die Funktion, dem Staat Einnahmen zu verschaffen und wirtschaftliches Verhalten zu steuern – Zölle allerdings mit dem spezifischen Fokus auf den Außenhandel, um die heimische Wirtschaft vor unliebsamer Auslandskonkurrenz zu schützen.

Denkt man etwas weiter, wird somit aus dem „großartigen Sieg“ Trumps die größte (wenn auch verdeckte) Steuererhöhung seit 1982, als der damalige Präsident Reagan in Reaktion auf die einsetzende Rezession und das wegbrechende Steueraufkommen die im Vorjahr beschlossenen Steuersenkungen wieder zurücknahm. Hinzu kommt: Die Zolleinnahmen machen auch nach dem jüngsten starken Anstieg immer noch nur einen Bruchteil des US-Haushalts aus (gesamte US-Staatseinnahmen für das Jahr 2024: rund 8,7 Bio. USD) und sind in großen Teilen auch nur vorübergehender Natur.

Nur Verlierer

Und aus noch einem anderen Grund sind die USA nicht der „Sieger“, ja kann es gar keinen Sieger im Handelsstreit geben – jedenfalls so lange nicht, wie das Ergebnis der Verhandlungen steigende Zölle (und Gegenzölle) sind: Denn diese führen zu weniger Außenhandel, weniger internationaler Spezialisierung, weniger Ausnutzen von Kostenvorteilen und damit im Endeffekt zu weniger Wohlstand und Wachstum … und zwar für alle Beteiligten. Auf lange Sicht können Zölle eine geradezu toxische Wirkung entfalten. Denn sie schalten Wettbewerb aus und führen in der Folge zu weniger wettbewerbsfähigen Branchen und Unternehmen. Langfristig bringt also nicht einmal der intuitiv erst einmal einleuchtende „Schutz der heimischen Wirtschaft“ einen Wohlstandsgewinn. Wenn sich das in harten Konjunkturdaten oder am Finanzmarkt niederschlägt, könnte das übrigens auch den sprunghaften Donald Trump zur Vernunft bringen.

Lassen Sie uns aber ebenso klar sagen: Die EU ist sicherlich leidtragend im Zollzwist, aber auch sie ist kein Musterbeispiel für den Freihandel. Bei aller verqueren Außenhandels-Interpretation durch Trump: Seine Bestandsaufnahme, dass Europa nicht „fair“ im Außenhandel agiert, hat durchaus eine berechtigte Grundlage. Schon länger gelten auch für Einfuhren aus den USA nach Europa Zölle (die genaue Höhe hängt stark von der Produktgruppe ab).

Aber das ist längst noch nicht alles: Insbesondere die sog. „nichttarifären Handelshemmnisse“ – also diejenigen, die den Außenhandel zwar einschränken, aber keine Zölle sind – machen es nicht nur US-Produzenten schwer, in der EU Fuß zu fassen. Nicht nur die Sieger-, sondern auch die aktuell so häufig erwähnte Opferrolle trifft also für unseren eigenen Wirtschaftsraum nicht wirklich zu. Selbst im eigenen Binnenmarkt gilt dies in Teilen. Auch wenn es Zölle zwischen EU-Staaten tatsächlich schon lange nicht mehr gibt, führen Regularien und Beschränkungen in vielen Wirtschaftssektoren nach wie vor dazu, dass Produzenten innerhalb der EU der Zugang zu anderen EU-Märkten erschwert wird. Man muss also nicht zwingend über den großen Teich blicken, wenn es darum geht, Handelsbeziehungen zu verbessern. Von einem Abbau der Überregulierung ganz zu schweigen. In Sachen Bürokratie macht der EU bekanntlich so schnell keiner etwas vor. Ergo: Die EU ist keine Heilige in Sachen Freihandel und Trump ist (auf längere Sicht) kein Sieger im Zollstreit.

Die Zollquerelen sorgten übrigens nur kurzzeitig für Irritationen an den Aktienmärkten. Mittlerweile sind die zwischenzeitlichen Rücksetzer längst wieder mehr als aufgeholt. Die Börsen gehen inzwischen äußerst gelassen mit den ständig neuen Kapriolen im Zollstreit um. Das muss nicht so bleiben, aber ein langer Atem und eine ruhige Hand dürften sich auch dann auszahlen.

Fazit

  • Trump bzw. die USA als strahlenden Sieger im Zoll- und Handelskonflikt zu bezeichnen, ist lediglich eine Momentaufnahme.
  • Bei näherer Betrachtung werden insbesondere die US-Verbraucherinnen und -Verbraucher die Leidtragenden sein.
  • Auch für die stark exportorientierten Nationen wird das Leben nicht einfacher.
  • Am Ende kennen Zoll- und Handelskriege somit nur Verlierer.
  • Nach einem kurzen Schock reagieren die Finanzmärkte mittlerweile sehr gelassen auf die Zollkapriolen. Das ist vernünftig.

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Über den Autor
Prof. Dr. Stefan May

Prof. Dr. Stefan May ist als Leiter Anlagestrategie und Produktentwicklung seit 2014 bei der Quirin Privatbank tätig und hat jahrzehntelange Erfahrung in der Kapitalmarktpraxis. Er ist zudem seit rund 30 Jahren Professor für Finanzmarktanalyse und Portfoliomanagement an der Technischen Hochschule Ingolstadt (mittlerweile emeritiert). Prof. May hatte maßgeblichen Anteil an der Einführung unseres auf wissenschaftlichen Erkenntnissen der Kapitalmarktforschung basierenden Anlagekonzepts. Als Vorsitzender des Anlageausschusses der Bank ist er – gemeinsam mit dem Team der Vermögensverwaltung – nach wie vor für die fortlaufende Gestaltung und Optimierung der Anlagestrategien verantwortlich.

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