Aktienmärkte reagieren bislang besonnen
Einmal mehr haben wir es mit einer harten (Nerven-)Probe für die Anlegerinnen und Anleger zu tun. Dieses „einmal mehr“ sorgte allerdings nach der initialen Attacke Israels auf den Iran nicht für einen deutlichen Kursrücksetzer. Das Gegenteil war der Fall: Nicht wenige Aktienindizes bewegen sich nach einer Schrecksekunde mittlerweile sogar wieder in der Nähe ihrer Allzeithochs. So hart und kaltherzig es auch im ersten Moment klingen mag: Die Investmentgemeinde scheint sich in den letzten Jahren zunehmend an kriegerische Akte und die vielfältigen Krisen gewöhnt zu haben, ob sie nun militärischer (Stichworte: Ukraine, Nahost), gesundheitlicher (Stichwort: Corona) oder handelspolitischer (Stichwort: Zölle) Natur sind.
Zu der besonnenen Reaktion könnte auch beigetragen haben, dass sich der jüngste Konflikt rund um das iranische Atomprogramm in eine lange Abfolge von Krisen und Kriegen einreiht, die in den letzten Jahrzehnten den Nahen Osten immer wieder erschüttert haben. Nachhaltige Kurseinbrüche hat dies letztlich in keinem der Fälle ausgelöst. Oft kam es sogar zu zügigen Kurserholungen.1 Wohl auch deshalb, weil sich die negativen Folgen für die Weltwirtschaft meist in engen Grenzen hielten.
Damit zeigt sich auch in diesem Konflikt ein irritierendes und für manche sogar verstörendes Verhalten der internationalen Aktienmärkte gegenüber den Krisenherden im Nahen Osten: Solange es dort nicht zu einem Flächenbrand kommt, werden selbst militärische Auseinandersetzungen mehr oder weniger als „Non-Events“ angesehen.
Grundsätzlich bleibt festzuhalten: Die Weltwirtschaft ist nach Corona, nach Lieferkettenproblemen, dem Ukraine-Russland-Krieg samt Energiepreisschock, den unberechenbaren Trump-Eskapaden und dem Nahost-Konflikt offenkundig anpassungsfähiger geworden. Viele Unternehmen haben unter Beweis gestellt, dass sie sich schnell mit – teils drastisch – geänderten Rahmenbedingungen erfolgreich arrangieren können.
Die folgende Grafik veranschaulicht die Wertentwicklung relevanter Aktienindizes seit Jahresbeginn – inklusive der moderaten Reaktion auf die aktuellen Geschehnisse.
Die Grafik führt auch den aktuellen Vorsprung europäischer – und insbesondere deutscher – Aktien vor Augen. Das Minus des Dollars von rund 13 % gegenüber dem Euro seit Jahresbeginn vergrößert diese Kluft zu US- und Schwellenländeraktien noch zusätzlich.2
Anlegerinnen und Anleger sollten jedoch nicht darauf setzen, dass die Outperformance deutscher bzw. europäischer Aktien gegenüber US-Titeln von Dauer sein wird. Ein Blick auf die Entwicklung der letzten 5 Jahre zeigt eher das Gegenteil. Selbst wenn man zusätzlich den in diesem Zeitraum um rund 4 % schwächeren Dollar berücksichtigt, ist der Vorsprung des S&P 500 gegenüber dem DAX mit rund 10 Prozentpunkten noch erheblich.
Von daher halten wir auch wenig von der zuletzt immer häufiger zu hörenden Empfehlung „Raus aus Amerika, rein in Europa“. Der US-Kapitalmarkt bleibt bis auf Weiteres der größte und liquideste der Welt und die US-Wirtschaft mit ihren vielen Weltmarktführern ist bei allen aktuellen Problemen doch ungemein innovativ und dynamisch.
Ölmarkt kurz in Aufruhr
Deutlicher als an den Aktienmärkten war die jüngste Eskalation an den Ölpreisen ablesbar, wie so oft bei Nahost-Krisen. So gab es z. B. bei der Nordsee-Ölsorte Brent den größten Tagesprung seit März 2022. Sorgen bereitete zunächst vor allem eine mögliche Blockade der Straße von Hormus durch den Iran ‒ eine Hauptschlagader für die globale Rohölversorgung. Durch sie werden rund ein Viertel des globalen Ölbedarfs und ca. 20 % der Flüssiggaslieferungen verschifft. Im Zuge der am 24. Juni vereinbarten Waffenruhe gab der Ölpreis dann wieder auf das ursprüngliche Ausgangsniveau vor der Zuspitzung des Konflikts nach – weit weg übrigens von alten Höchstständen.
In diesem Zusammenhang spielt sicher auch eine große Rolle, dass die Straße von Hormus insbesondere für Transporte nach Asien wichtig ist. Allein China bezieht mittlerweile rund 60 % des durch die Meerenge gelieferten Öls, unter anderem auch aus dem Iran selbst. Ob der Iran durch eine Sperrung die Beziehungen zu seinem vielleicht wichtigsten militärischen und wirtschaftlichen Partner aufs Spiel setzen möchte, darf zumindest stark bezweifelt werden.
Zu früh für eine Entwarnung
Dass sich die Aktienmärkte angesichts der jüngsten Ereignisse so erstaunlich widerstandsfähig gezeigt haben, beweist einmal mehr, dass sich eine „ruhige Hand“ bei der Geldanlage lohnt.
Allerdings ist die momentane Waffenruhe noch als sehr fragil einzustufen. Der Konflikt kann jederzeit erneut hochkochen. Sollte es dazu kommen, könnte sich speziell bei längerfristigen deutlichen Ölpreisanstiegen der Druck auf das globale Wirtschaftswachstum und mithin auf die Aktienmärkte wieder verstärken. Doch auch für einen solchen Fall raten wir dringend dazu, an einer aus gutem Grund gewählten Anlagestrategie festzuhalten.
Stand heute gehen wir davon aus, dass auch eine weiterhin angespannte und komplexe Lage im Nahen Osten die weltweiten Aktienmärkte nicht aus den Angeln heben wird.