Unermüdlich versuchen wir seit Jahren, Anleger davon zu überzeugen, dass eine Strategie der ruhigen Hand in allen Marktphasen das Beste ist.[1] Dabei sind wir nicht immer erfolgreich. In turbulenten Marktphasen und vor allem in regelrechten Krisen ist unser Ratschlag für viele Anleger nicht nachvollziehbar. In „normalen“ Marktphasen möge er ja durchaus seine Berechtigung haben, nämlich dann, wenn mehr oder weniger alle Märkte ohne allzu heftige Schwankungen nach oben streben. In Krisen aber – so die gängige Vorstellung – sei es damit aber nicht getan. Nun dürfe man nicht die Hand in den Schoß legen – Aktivität sei gefordert: rechtzeitig aussteigen, um größere Vermögensverluste zu verhindern, und in einem möglichst günstigen Augenblick wieder einsteigen, um Renditechancen zu wahren.
So plausibel und nachvollziehbar die Vorstellung eines solchen „aktiven“ Handelns in der Krise rein theoretisch auch sein mag, der entscheidende Punkt ist letztlich, ob es denjenigen, die genau das versuchen – z. B. den Managern aktiver, prognosegetriebener Investmentfonds – auch tatsächlich gelingt.
Desillusionierende wissenschaftliche Studienergebnisse …
Nun ist die Zahl der wissenschaftlich-empirischen Studien, die den Erfolg aktiven Wertpapiermanagements unter die Lupe nehmen, Legion. Die Ergebnisse waren und sind dabei seit Jahrzehnten immer dieselben: Wertpapiermanagement dieser Art schafft im Vergleich zu indexorientierten Anlagestrategien, die diszipliniert durchgehalten werden, keinen Mehrwert, setzt Anleger jedoch deutlich höheren Risiken aus und ist dabei sehr kostspielig.
Um valide Resultate zu erhalten, wurden diese mittlerweile von unabhängigen Finanzmarktforschern allgemein anerkannten Ergebnisse allerdings vor allem aus langfristigen Datenhistorien abgeleitet. Damit wiederum besteht zumindest theoretisch die Möglichkeit, dass sich aktives Wertpapiermanagement vor allem dann bewährt, wenn es am meisten darauf ankommt, nämlich in Krisenzeiten. Sollte dies tatsächlich der Fall sein, dann würde der Nutzen, den herkömmliches aktives Anlagemanagement für die Anleger besitzt, durch die Ergebnisse der langfristig ausgerichteten Studien dramatisch unterschätzt. Immerhin würde dies ja bedeuten, dass aktive Strategien und Fonds genau das liefern, was sich Anleger am meisten wünschen, nämlich eine Absicherung gegen krisenbedingte Einbrüche.
Tatsächlich laufen die Argumente der Verfechter aktiven Managements häufig in diese Richtung. Insbesondere in der Vermarktung und Öffentlichkeitsarbeit wird stets eine potenzielle Krisenresistenz aktiven Managements suggeriert. Das unausgesprochene Versprechen dabei lautet: Wir mögen ja langfristig nicht besser sein als der Markt, dafür sind wir aber in Krisenzeiten für Sie da und schützen Ihr Vermögen.
… bestätigen sich auch in der Coronakrise …
Eine im Juli 2020 erschienene Studie des National Bureau of Economic Research[2] (NBER) versetzt nun auch dieser letzten Hoffnung, dass sich aktive Fonds wenigstens in einer solchen Phase als nützlich für den Anleger erweisen könnten, einen schweren Schlag. Konkret wurde die Wertentwicklung von insgesamt 2.764 aktiv gemanagten US-Aktienfonds im Rahmen ausgewählter Zeiträume der Coronakrise untersucht und drei unterschiedlichen Vergleichsmaßstäben gegenübergestellt.[3] Folgende Teilperioden wurden dabei analysiert:
Einbruch: 20.02.2020 bis 23.03.2020
Erholung: 24.03.2020 bis 30.04.2020
Krise insgesamt: 20.02.2020 bis 30.04.2020
Die folgende Abbildung zeigt, wie sich die US-Aktienmärkte – repräsentiert durch den S&P 500 Index – in den einzelnen Teilperioden entwickelt haben:
Wie die aktiv gemanagten Fonds im Gesamtverlauf des untersuchten Krisenzeitraums im Durchschnitt – verglichen mit dem S&P 500 – abgeschnitten haben, zeigt die nächste Abbildung.
Die Grafik illustriert, dass aktive Fonds in der Gesamtheit ihr (unausgesprochenes) Versprechen, zumindest in Krisen besser abzuschneiden als der allgemeine Markt, auch aktuell einmal mehr nicht halten konnten. Im Gegenteil, sie mussten sogar noch größere Verluste hinnehmen: Während der S&P 500 Index vom 20. Februar bis zum 30. April 14 % verlor, betrugen ihre Verluste im Durchschnitt rund 18 %. Bemerkenswert ist auch, dass sich die Kursverläufe bis ins Detail ähnlich sind, nur eben mit deutlich mehr Verlusten seitens der aktiven Fonds. Es kann also festgehalten werden: Von der Freiheit des Agierens, welche aktives Management zweifelsohne bietet, wurde in der Krise kein, bzw. wurde nicht zum Nutzen des Anlegers, Gebrauch gemacht.
Nun könnte man einwenden, dass ein Vergleich mit dem S&P 500 nicht ganz fair ist, da er sehr stark von Technologiewerten geprägt ist, die in der Krise besonders gut abschneiden konnten und dadurch auch den S&P 500 positiv beeinflussten.
Aus diesem Grund wurde die durchschnittliche Wertentwicklung aktiver Fonds nicht nur mit dem S&P 500 verglichen, sondern darüber hinaus mit einem noch breiter gestreuten Index aus der in den USA sehr gängigen FTSE/Russell-Indexfamilie sowie mit einem vom jeweiligen Fonds selbst gewählten Vergleichsmaßstab („individuelle Benchmark“).
Die Tabelle zeigt die jeweils durchschnittlichen relativen (also in Relation zum jeweiligen Vergleichsmaßstab gemessenen) und annualisierten Wertentwicklungen der untersuchten Fonds in den einzelnen Teilperioden. Die darunter stehende Abbildung zeigt die entsprechenden, nicht annualisierten Verläufe über den Gesamtzeitraum.
Auch wenn es sich bei den in der Tabelle dargestellten Zahlen um annualisierte, d. h. auf ein Gesamtjahr hochgerechnete Werte handelt, sind die Größenordnungen der Minderperformance doch sehr ausgeprägt. Bemerkenswert ist vor allem, dass in keinem einzigen der Zeiträume sowie gegenüber keinem der Vergleichsmaßstäbe im Durchschnitt eine Mehrrendite erzielt werden konnte: Alle Werte haben ein negatives Vorzeichen.
… auf breiter Front
Folgender Aspekt ist noch zu berücksichtigen: Zahlen und Abbildungen zu durchschnittlichen Entwicklungen, wie obenstehend aufgeführt, erlauben lediglich Aussagen zu aktiven Fonds als Gruppe. Über einzelne Fonds ist damit aber nichts ausgesagt. Hier ist ein gezielter Blick wichtig, weil aktive Fonds in der Regel eine sehr heterogene Gruppe mit den unterschiedlichsten Kursverläufen bilden. Von daher ist es von Interesse, wie viele von ihnen besser als die diversen Vergleichsmaßstäbe waren. Es wäre ja schließlich möglich, dass nur wenige negative Ausreißer bei den aktiven Fonds den Gesamtdurchschnitt der Gruppe erheblich nach unten gezogen haben und im Umkehrschuss die breite Masse der Fonds doch gute Arbeit geleistet hat. Die entsprechenden Werte finden sich in folgender Abbildung, in welcher die prozentualen Anteile aktiver Fonds dargestellt sind, die eine Minderperformance verzeichnen mussten – aufgeschlüsselt wieder nach den drei unterschiedlichen Vergleichsmaßstäben.
Es zeigt sich, dass es in der Regel weniger als der Hälfte, manchmal nur knapp einem Viertel, aller aktiven Fonds gelingt, die diversen Vergleichsmaßstäbe zu überbieten – und dies wieder in allen Teilperioden. Es verfestigt sich damit ein weiteres Mal die Erkenntnis, welche wir auch aus langfristig angelegten Studien erhalten: Aktives Management schafft für die Anleger keinen systematischen Mehrwert – auch und besonders nicht in Krisenzeiten. Übrigens: Der Versuch, im Vorfeld zu antizipieren, welche aktiven Fondsmanager zur Minderheit derjenigen Anlagestrategen gehören, die künftig vergleichbare Indizes schlagen, ist regelmäßig zum Scheitern verurteilt. Auch dies ist durch zahlreiche unabhängige Studien eindeutig belegt und zeigt sich u. a. auch daran, dass sich die Gruppe der „Gewinnerfonds“, die zwangsläufig immer Gewinner der Vergangenheit sind, in ihrer Zusammensetzung permanent und unkalkulierbar verändert.
Schlussfolgerungen für Anleger
Sollten Anleger die Hoffnung gehegt haben, dass „aktive“, prognosegetriebene Ansätze der Vermögensanlage – wenn schon nicht langfristig, dann doch wenigstens in besonderen Krisensituationen – indexnahen Strategien überlegen sind, so wird dies durch die Ergebnisse der vorliegenden Studie zunichtegemacht. Wie diese eindrucksvoll belegt, konnten aktive Strategien auch in der Coronakrise nicht überzeugen.
Die gerne propagierte Vorstellung, dass aktive Fondsmanager ihre vorhandenen Freiheiten rechtzeitig zu Ausstiegen nutzen und dadurch Verluste verhindern, um dann beizeiten wieder einzusteigen, bleibt eine zwar plausible, aber letztlich rein theoretische Konstruktion. Mehrheitlich konnte die Freiheit des Agierens auch in den untersuchten Krisenmonaten nicht zugunsten der Anleger genutzt werden. Das von der Branche gerne gezeichnete Bild einer besonderen Krisenresistenz aktiver Fonds erweist sich einmal mehr als eine letztlich haltlose Versprechung.
Was ist denn nun aber eine erfolgversprechendere Strategie, insbesondere auch für Krisenphasen, wie wir sie jüngst erlebt haben? Die Kapitalmarktforschung spricht hier seit Jahren eine eindeutige Sprache, die sich mit der hier vorgestellten Studie einmal mehr bestätigt (und die wir für unsere Kunden seit Jahren umsetzen): Anleger sollten auf Basis ihrer persönlichen Risikotragfähigkeit und Renditeerwartung ihre strategische Aufstellung so wählen, dass sie auch durch schwerwiegende Kursrutsche durchgehalten werden kann.
Sinnvolles Anlagemanagement besteht in solchen Krisenphasen vor allem darin, diese strategischen Anlagequoten, die sich aufgrund der Ab- und Aufwärtsbewegungen der Kurse verschieben können, auf dem vereinbarten Niveau zu halten („Rebalancing“). Dadurch bleiben Risiken und Renditepotenzial stets auf dem passenden Niveau des Anlegers. Negative Überraschungen, die über das ohnehin schon nervenaufreibende Marktgeschehen hinausgehen, bleiben den Anlegern damit erspart.
Dazu passend empfehle ich Ihnen unsere kostenlose Studie „Das Märchen vom Risikomanagement. Disziplin statt Prognosezauber“. Sie stellt den Zusammenhang zwischen Chancen und Risiken dar – und wie dieser zu einem langfristigen Anlageerfolg verhilft, ganz ohne vermeintlich verheißungsvolle Versprechungen von Risikovermeidung und treffsicheren Prognosen.
[1] Dies bedeutet keineswegs Inaktivität, was man vielleicht vermuten könnte. Stattdessen geht es darum, die Aktivitäten von kurz- und mittelfristigen Marktprognosen wegzulenken, hin zu den „handwerklichen“ Erfordernissen des Portfoliomanagements.
[2] Pastor, L., Vorsatz, M. B., 2020, Mutual Fund Performance and Flows during the COVID-19 Crisis, Working Paper 27551, National Bureau of Economic Research (NBER), Cambridge, MA 02138. Beim NBER handelt es sich um eine gemeinnützige, überparteiliche Organisation, die sich der Wirtschafts- und Finanzmarktforschung widmet.
[3] In der Studie wurden zwei Fragen untersucht: erstens, wie sich aktive gemanagte Fonds in der Coronakrise insgesamt geschlagen haben, und zweitens, wie dabei speziell nachhaltige Fonds abschneiden konnten. In meinem letzten Logbuch vom 4. Septermber 2020 wurde Frage 2 thematisiert.
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