Atemberaubende Entwicklungen
Schaut man sich die Wertentwicklung der Aktien der „Glorreichen Sieben“ in den letzten Jahren genauer an, kommt man aus dem Staunen nicht mehr heraus. Da Bilder bekanntermaßen mehr als tausend Worte sagen, wollen wir die phänomenale Entwicklung der „Magnificent Seven“ mit einem Chart illustrieren:
Die steil gestiegenen Kurse führten zu einem explosionsartigen Anstieg der Marktkapitalisierung (Gesamtwert aller im Umlauf befindlichen Aktien eines Unternehmens) und dementsprechend auch zu einer kräftigen „Gewichtszunahme“ in wichtigen Aktienindizes. So stehen beispielsweise die besagten sieben US-Unternehmen allein für fast 24 % der aktuellen Gesamtkapitalisierung des bekannten MSCI World Index, der derzeit knapp 1.400 Unternehmen aus den Industrieländern umfasst.
Noch eklatanter stellt es sich in wichtigen US-Aktienindizes, wie dem S&P 500, dar und auch ein Vergleich mit anderen regionalen Aktienindizes, wie beispielsweise dem DAX, verdeutlicht die aktuellen Größenverhältnisse.
Die zunehmende Abhängigkeit wichtiger Aktienindizes von den „Glorreichen Sieben“ ist erfreulich … solange die betreffenden Aktien einen Lauf haben, aber umso unerfreulicher, wenn es hier zu einer heftigen Kurskorrektur kommen sollte. In jedem Fall aber gilt: Wenn ein Index (oder ein Depot) nur von wenigen Aktien maßgeblich beeinflusst wird, ist das immer mit übermäßig hohen Risiken verbunden, die man eigentlich vermeiden sollte.
Da die großen amerikanischen Tech-Werte auch in den meisten globalen Aktienindizes die erste Geige spielen, erfordert es bei der Zusammenstellung eines internationalen Portfolios (vorzugsweise via ETFs) ein gewisses Geschick, um eine unverhältnismäßig hohe Gewichtung der „Glorreichen Sieben“ im Depot zu vermeiden.
Im Rahmen unseres eigenen Investmentansatzes, der auf eine möglichst exakte Abbildung des kompletten globalen Aktienmarktes abzielt, gelingt uns eine Absenkung des Gewichts der „Glorreichen Sieben“ auf rund 11 %, was aus unserer Sicht unter Rendite-Risiko-Aspekten ein verträgliches Maß darstellt.
Da wir immer wieder die Frage gestellt bekommen, ob die Tech-Rallye weiterläuft oder ob demnächst eine starke Zäsur bevorsteht, möchten wir an dieser Stelle etwas weiter ausholen und springen deswegen zunächst kurz in die Vergangenheit.
Wiederholt sich Geschichte?
Der rasante Kursaufschwung der Tech-Riesen, der viele der großen Aktienindizes mit nach oben gezogen hat, löst bei manchen böse Erinnerungen an die Jahrtausendwende aus. Auch damals dominierte am Markt die Begeisterung für neue Technologien. Seinerzeit waren es Aktien rund um das Internet-Business, heute sind es vor allem Aktien mit Bezug zur Künstlichen Intelligenz (KI). Zu Letzteren zählen insbesondere auch die Aktien der „Glorreichen Sieben“.
Im Frühjahr 2000 platzte die sog. „Dotcom-Blase“ und in der Folge stürzten viele Technologieaktien ins Bodenlose. Daher fragen sich viele Anlegerinnen und Anleger derzeit mit Sorge, ob der aktuelle Boom der „Glorreichen Sieben“ demnächst ebenfalls mit einem heftigen Kursbeben enden wird. Selbstverständlich wissen auch wir das nicht, aber ein Vergleich der Situation von damals mit der heutigen ist vielleicht ganz aufschlussreich.
Zur Jahrtausendwende waren die Erwartungen an die neue, durch das Internet geprägte Wirtschaft gewaltig. Im Internetsektor tätigen Start-ups wurden riesige zukünftige Gewinne vorhergesagt – egal wie schwammig die Geschäftsidee, egal wie unrealistisch der Businessplan auch erschien. Simple Merkmale wie ein „.com“ im Firmennamen spielten eine größere Rolle als Bewertungen oder tragfähige Geschäftsmodelle. In Deutschland wurden die entsprechenden Firmen am sogenannten „Neuen Markt“ notiert.
Das zentrale Merkmal der Dotcom-Blase waren die astronomisch hohen fundamentalen Bewertungen von vermeintlichen Zukunftsfirmen und als Folge die völlige Abkopplung der Börsenbewertung von allen Umsatz- und Ertragskennzahlen. Letztlich zeigte sich dann aber, dass die immens hohen Erwartungen nicht im Entferntesten erfüllt werden konnten, und es machte sich immer stärker Ernüchterung breit. Ab Frühjahr 2000 kam es dann zu den erwähnten verheerenden Kurseinbrüchen. Viele vorher hochgejubelte Unternehmen verschwanden wieder vollständig in der Versenkung, Anfang Juni 2003 wurde sogar das gesamte Segment des Neuen Marktes aufgelöst.
Verglichen mit damals stellt sich die Situation heute doch merklich anders dar: Die Aktienkurssteigerungen der Tech-Riesen sind durch ein starkes Gewinnwachstum getrieben, was zur Zeit der Jahrtausendwende nur selten der Fall war. Die großen Tech-Konzerne – allen voran die „Glorreichen Sieben“ – sind mittlerweile regelrechte Gewinnmaschinen, solide und wachstumsstark. Zur Jahrtausendwende galten Umsatz und Gewinn als eher nebensächlich, heute sind sie ausschlaggebend. Die Kurszuwächse der „Großen Sieben“ sind somit grundsätzlich fundamental untermauert. Was jedoch Sorgen bereitet, ist die Heftigkeit des Kursaufschwungs, vor allem in den letzten beiden Jahren, denn das hat dazu geführt, dass sich die fundamentalen Bewertungen der „Glorreichen Sieben“ – trotz aller beeindruckenden Zuwächse bei den Konzerngewinnen – ebenfalls deutlich erhöht haben.
Hohe Bewertungen machen anfällig
Der maßgeblich von den „Glorreichen Sieben“ geprägte S&P 500 Index weist mittlerweile ein Kurs-Gewinn-Verhältnis1 (KGV) von 25 auf, was übrigens höher liegt als vor der Finanzkrise und signifikant über dem langjährigen Schnitt (18). Die gestiegenen KGVs reflektieren die schon erwähnten operativen Verbesserungen und vor allem das schnelle Wachstum der hoch kapitalisierten Tech-Konzerne. Das Gewinnwachstum der „Sieben“ betrug 2024 etwa 28 %, während das des breiten Marktes bei 4 % lag. Die Frage ist, ob diese Wachstumsdynamik beibehalten werden kann.
Selbstverständlich bedeuten anspruchsvolle Bewertungen nicht zwangsläufig, dass eine kräftige Korrektur bevorsteht. Aber die aktuell hohen Bewertungen dürften die Aktien der Tech-Giganten zumindest anfälliger machen, wenn es beispielsweise zu bösen Überraschungen an der Konjunktur- oder Zinsfront oder auch durch unternehmensspezifische Probleme kommen sollte. Dann drohen allein schon deshalb heftigere Kursrücksetzer, weil nicht wenige Investorinnen und Investoren ihre Tech-Aktien auf den Markt werfen könnten, um die aufgelaufenen Kursgewinne noch schnell zu sichern. Das Börsenjahr 2022 lieferte einen Vorgeschmack auf ein solches Szenario. Im Jahresverlauf musste der Technologiesektor seinerzeit einen Einbruch verkraften, in dem auch große Technologiewerte, wie z. B. Meta oder Tesla, um bis zu 65 % nachgaben.
Trotzdem glauben wir unter dem Strich nicht, dass der aktuelle Tech-Aufschwung ein Kartenhaus ist, das kurz vor dem Zusammenbruch steht. Und das vor allem aufgrund der Tatsache, dass es ohne Technologieanwendungen schlichtweg nicht mehr geht. Technologien wie Künstliche Intelligenz und Big Data sind mittlerweile nicht mehr wegzudenken. Wir werden die vielfältigen Herausforderungen unserer Zeit kaum ohne Unterstützung neuer Technologien meistern können. Ob wir in einigen Jahren immer noch von den „Glorreichen Sieben“ reden werden oder ob dann der Stern von Unternehmen aufgegangen sein wird, die heute noch völlig unbekannt sind, wird die Zukunft erweisen. Insofern könnte kurz- bis mittelfristig der Rückenwind für Tech-Aktien anhalten. Früher oder später wird es aber zu einer Wachablösung kommen und andere Segmente werden die Performanceführerschaft übernehmen. Die entsprechenden Bereiche wechseln immer wieder unvermittelt und sind nicht prognostizierbar.
Grundsätzliches zum Schluss
Den Zeitpunkt für einen Marktumschwung richtig abzupassen, ist unmöglich. Daher hat eine breite Streuung der Investments oberste Priorität. Lediglich auf einige wenige Einzelwerte oder zu stark auf Aktien aus ein und derselben Branche – auch wenn diese noch so verheißungsvoll erscheint – zu setzen, ist schlichtweg zu riskant. Gegen ein Investment in die Tech-Riesen ist grundsätzlich nichts einzuwenden, es sollte aber in einem vertretbaren Rahmen bleiben. Eine möglichst akkurate Ausrichtung an der gesamten globalen Marktkapitalisierung in Bezug auf Länder, Branchen etc. ist hierbei der Königsweg. Auch eine einzelne Investition in vordergründig ausreichend gestreut erscheinende Indizes, wie beispielsweise den MSCI World, reicht – wie eingangs aufgezeigt – nicht aus.