Die Quirin Privatbank hat als eine der wenigen Privatbanken in Deutschland den Anspruch, bei ihren Anlageentscheidungen und -empfehlungen die anerkannten und relevanten Ergebnisse der wissenschaftlichen Finanzmarktforschung zu berücksichtigen.
Aus diesem Grund wollen wir Ihnen die Resultate einer neueren Studie[1] nicht vorenthalten, welche die Wertentwicklungen von Aktien des amerikanischen Aktienmarktes detailliert unter die Lupe genommen hat.
Im Gegensatz zu den meisten bislang durchgeführten Analysen, in denen die Aktienmärkte in ihrer Gesamtheit untersucht wurden, liegt der Fokus der vorliegenden Studie ausschließlich auf der Frage, welche konkreten Renditen einzelne Aktien erzielt haben – insbesondere über lange Zeiträume hinweg.
Untersucht wurden insgesamt 25.332 Aktien, die von 1926[2] bis 2016 an den amerikanischen Börsen gelistet waren, also über einen Zeitraum von 90 Jahren. Aufgrund des globalen Marktkapitalisierungsgewichts der US-Aktien, das bei über 50 % liegt[3], können die Ergebnisse auch für den Rest der Welt als repräsentativ angesehen werden.
Das entscheidende Resultat
Die sehr detaillierte Ausarbeitung umfasst über 50 Seiten und fördert eine ganze Reihe interessanter Ergebnisse zutage. Für den Anleger am relevantesten sind allerdings die ermittelten prozentualen Beiträge einzelner Aktien bzw. Aktiengruppen zur Wertschöpfung, die am Aktienmarkt insgesamt erzielt werden konnte.
Konkret: In den Jahren 1926 bis 2016 waren an den großen amerikanische Börsen NYSE, AMEX und Nasdaq insgesamt 25.332 Aktien gelistet. Selbstverständlich haben bei weitem nicht alle (in dieser Zeitspanne) gelisteten Aktien bis 2016 durchgehalten; vielmehr gab es laufend Neuzugänge und Abgänge. Die durchschnittliche „Lebensdauer“ aller Aktien (genauer: Zeitspanne, in der sie an der Börse gelistet waren) betrug sogar nur 7 ½ Jahre. Ungeachtet dessen konnte für jede einzelne Aktie ermittelt werden, welcher in US-Dollar gemessene Wertzuwachs in ihrer individuellen Lebensspanne jeweils realisiert wurde („individuelle Wertschöpfung“). Addiert man die Wertzuwächse aller Aktien, so erhält man den Wertzuwachs des Gesamtmarktes („Wertschöpfung des Gesamtmarktes“). Dieser betrug von 1926 bis 2016 rund 35 Billionen USD[4].
Und an dieser Stelle beginnt die Studie interessant zu werden. Man hat nämlich im Detail untersucht, wie sich die Wertschöpfung des Gesamtmarktes in Höhe von 35 Billionen USD auf einzelne Aktien bzw. Aktiengruppen verteilt. Hierzu wurde zunächst eine Rangfolge der Aktien gemäß ihrer individuellen Wertschöpfung erstellt[5]. Im nächsten Schritt wurden dann ausgewählte Aktiengruppen (die 5 bzw. 90 besten Aktien) der Gesamtzahl aller Aktien gegenübergestellt und ermittelt, wie hoch ihre jeweiligen Anteile an der gesamten Wertschöpfung sind. Die erstaunlichen Ergebnisse sind in den folgenden Abbildungen tabellarisch zusammengefasst und grafisch dargestellt.
Das frappierende Ergebnis: Es zeigt sich, dass ein verschwindend kleiner Anteil von 5 Aktien (0,02 % aller 25.332 Aktien) bereits einen Anteil von 10 % der gesamten Wertschöpfung auf sich vereint. Bei 90 Aktien (0,36 % aller Aktien) sind es bereits 50 % und mit lediglich 1.092 Aktien (4,31 % aller Aktien) erreicht man 100 % der Wertschöpfung des Gesamtmarktes. Sinnbildlich sprechen wir hier also von den berühmten Stecknadeln im Heuhaufen.
Wie stark der Wertschöpfungsanteil mit zunehmender Größe der Gewinnergruppe ansteigt, wird durch folgende Grafik deutlich.
Die zentrale Botschaft der Studie muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Die gesamte an einem Aktienmarkt erzielbare Wertschöpfung konzentriert sich lediglich auf eine verschwindend kleine Gruppe von Aktien. Ganz wichtig dabei: Dieses Phänomen zeigt sich nicht nur im explizit untersuchten Gesamtzeitraum 1926 bis 2016, sondern auch in einer Vielzahl anderer Zeiträume, wobei die jeweiligen Aktiengruppen – und dies ist entscheidend – immer anders zusammengesetzt waren.
Die Konzentration der insgesamt ja sehr positiven Wertschöpfung auf relativ wenige „Gewinner“ bedeutet im Umkehrschluss, dass der große Rest der Aktien (in der vorliegenden Studie: 95,69 % aller Aktien) lediglich eine Wertentwicklung in Höhe des risikolosen Zinses und teilweise weit darunter vorweisen kann.
Zudem stellte sich heraus, dass der beschriebene Konzentrationseffekt in jüngeren Phasen sogar noch stärker ausgeprägt war als in weiter zurückliegenden Zeiträumen. Dies kann man durchaus als einen Hinweis auf die zunehmende Bedeutung der Internet-Wirtschaft interpretieren, in der tendenziell relativ wenige Unternehmen den Markt dominieren. Alles in allem lässt sich die Studie wie folgt zusammenfassen:
Die überdurchschnittliche Wertschöpfung des Aktien-Gesamtmarktes ist auf relativ wenige Einzelwerte mit einer außergewöhnlich positiven Performance zurückzuführen, während die überwältigende Mehrheit der Aktien nur eine weit unterdurchschnittliche Entwicklung vorweisen kann.
Was bedeutet all das für die Anlegerin und den Anleger?
Angesichts der skizzierten Ergebnisse liegt dann durchaus der Gedanke nahe, dass es ja ausreichen würde, sich auf die wenigen Top-Werte zu konzentrieren und man sich den gesamten Rest sparen könne.
Jedoch wäre das ein verhängnisvolles Missverständnis. Zum einen zeigt die Studie – sowie eine Vielzahl ähnlich gelagerter Untersuchungen –, dass sich der Kreis der „Gewinner-Aktien“, je nachdem, welcher Zeitraum untersucht wird, ständig völlig anders zusammensetzt. Es ist daher unmöglich, im Voraus die jeweiligen Top-Performer herauszufiltern. Dies gelingt halt leider immer erst im Nachhinein! Das bestätigt auch die unabhängige Finanzmarktforschung, welche besagt, dass sogenanntes „aktives“ Wertpapiermanagement, das darauf abzielt, in einem Depot lediglich die vermeintlich aussichtsreichsten Aktien zu halten („stock picking“), letztlich erfolglos ist.
Verhängnisvoll wäre dieses Missverständnis jedoch vor allem deshalb, weil der Versuch, sich auf die vermuteten Gewinner-Aktien zu konzentrieren, mit großer Wahrscheinlichkeit nicht nur nicht erfolgreich ist, sondern zusätzlich die Gefahr dramatisch erhöht, ein extrem schlechtes Ergebnis einzufahren. Der Grund hierfür ist eben die Tatsache, dass sich die äußerst positive Wertschöpfung des Gesamtmarktes immer auf relativ wenige (aber leider permanent wechselnde) Werte konzentriert. Denn dies bedeutet im Umkehrschluss, dass der große Rest im Schnitt eine enttäuschende, ja häufig sogar extrem negative Wertentwicklung mit sich bringt. Dies zeigt sich in der Studie unter anderem auch daran, dass die unter den rund 25.000 untersuchten Aktien am häufigsten auftretende Rendite Minus 100 % war, also der Totalverlust. Erwischt man also die Gewinner-Aktien nicht – was im Voraus so gut wie sicher ist! – erhöht sich das Risiko dramatisch, extreme Verluste einzufahren.
Will man also an der langfristig attraktiven Wertentwicklung des Gesamtmarktes partizipieren, gibt es rein theoretisch zwei Möglichkeiten: Entweder man ist in der Lage, die jeweiligen Gewinner herauszufiltern, oder aber man hat ein entsprechend der Marktkapitalisierung breit gestreutes Depot (das die Gewinner-Aktien quasi automatisch beinhaltet). Erstgenanntes ist – wie die Finanzmarktforschung zweifelsfrei zeigt – letztlich unmöglich und birgt zudem das extreme Risiko hoher Verluste. Zweitgenanntes dagegen unterstreicht, wie wichtig eine wissenschaftlich saubere Diversifizierung für die Vereinnahmung einer möglichst optimalen Aktienmarktrendite ist.
Die Suche nach den Nadeln im Heuhaufen ist somit nicht nur aussichtslos, sondern darüber hinaus sogar extrem gefährlich. Von daher sollte das Motto immer lauten: Nimm den ganzen Heuhaufen.
Autor: Prof. Dr. Stefan May, Leiter Anlagemanagement der Quirin Privatbank, und sein Team
Wie sieht es bei Ihnen aus? Vertrauen Sie dem Gesamtmarkt oder setzen Sie Ihr Geld auf einzelne Aktien, in der Hoffnung die Top-Performer zu erwischen?
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[1] Bessembinder, H., 2018, Do Stocks Outperform Treasury Bills?, Forthcoming Journal of Financial Economics.
[2] Als Startjahr wurde 1926 gewählt, weil erst ab diesem Zeitpunkt die Renditen der Ein-Monats-Anleihen des amerikanischen Schatzamtes als Vergleichsmaßstab zur Verfügung stehen.
[3] Das Marktkapitalisierungsgewicht amerikanischer Aktien hat in den letzten Jahren aufgrund der überdurchschnittlich guten Wertentwicklung des US-Marktes zwar zugenommen, langfristig und trendmäßig nimmt es aber aufgrund der zunehmenden Bedeutung anderer Volkswirtschaften und Märkte eher ab.
[4] Man bedenke, dass hierbei auch die Wertvernichtungen durch die im Oktober 1929 einsetzende Weltwirtschaftskrise, den Zweiten Weltkrieg sowie die zwischenzeitlichen Finanzmarktkrisen eingerechnet sind.
[5] Im Zeitraum 1926 bis 2016 beispielsweise waren die fünf Aktien mit der höchsten individuellen Wertschöpfung (in US-Dollar bzw. bezogen auf ihren prozentualen Anteil an der Gesamtwertschöpfung) Exxon Mobile, Apple, Microsoft, General Electric und IBM (in dieser Reihenfolge). Davon waren Exxon Mobile, General Electric und IBM über den gesamten Zeitraum hinweg gelistet.
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