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Sind nachhaltige Anlagen eine Krisen-Absicherung?

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In einer jüngst veröffentlichten Studie des US-amerikanischen National Bureau of Economic Research (NBER)¹ wurden zwei – auch für deutsche Anleger – relevante Fragen eingehend untersucht. Zum einen wollten die Autoren wissen, wie sich prognosegetriebene, sogenannte „aktiv gemanagte“ Aktienfonds in den Turbulenzen der Coronakrise generell geschlagen haben. Zum anderen waren sie darüber hinaus auch daran interessiert herauszufinden, wie speziell nachhaltige Anlagen abgeschnitten haben. Beim NBER handelt es sich übrigens um eine gemeinnützige, überparteiliche Organisation, die sich der Wirtschafts- und Finanzmarktforschung widmet.

Im vorliegenden Logbuch wollen wir die zweite Frage thematisieren – sprich: Wie haben sich speziell nachhaltige Aktieninvestments in der COVID-19-Krise geschlagen?2

 

Die wesentlichen Studienergebnisse

Die Studie zeigt detailliert, dass Fonds, welche einen hohen sogenannten ESG-Nachhaltigkeitswert aufweisen, in der jüngsten Krise deutlich besser abschneiden konnten als solche mit einem geringeren ESG-Wert. ESG-Nachhaltigkeitswerte setzen sich immer mehr als Maßstab für nachhaltige Finanzanlagen durch. ESG steht hierbei für „Environment“ (Umwelt), „Social“ (Soziales) und „Governance“ (Unternehmensführung). Der ESG-Nachhaltigkeitswert einer bestimmten Finanzanlage fasst somit deren soziale und umweltbezogene Aspekte sowie Kriterien ethischer Unternehmensführung zu einem Gesamtresultat (dem „ESG-Score“) zusammen.

 

ESG-Kriterien

 

Das bessere Abschneiden nachhaltig investierender Fonds wird durch die nachfolgende Abbildung 2 illustriert, welche die Histogramme bzw. Dichtefunktionen von Anlagen mit einerseits geringen und andererseits hohen ESG-Werten hinsichtlich ihrer Rendite gegenüberstellt. Ein Histogramm ist die grafische Darstellung einer Häufigkeitsverteilung – je höher also die Kurve in der folgenden Abbildung steigt, desto häufiger ist die jeweilige auf der horizontalen Achse abzulesende Rendite in der untersuchten Grundgesamtheit der Fonds vorhanden.

 

Renditedichte

 

Die Überlegenheit nachhaltiger Anlagen – auch in Krisenzeiten – zeigt sich dabei in zweifacher Hinsicht: Zunächst wird deutlich, dass Anlagen mit einer hohen ESG-Bewertung im Durchschnitt weniger stark verloren haben als solche mit einem geringeren ESG-Wert (der Gipfel der Kurve nachhaltiger Anlagen – also die größte Häufigkeit von Renditen – ist weiter rechts im weniger negativen Renditespektrum angesiedelt). Die Höhe des prozentualen Verlustes können Sie auf der unteren horizontalen Achse ablesen.

Der Grafik ist aber auch zu entnehmen – und dies ist vermutlich der wichtigere Aspekt! –, dass deutlich mehr Finanzanlagen mit einem nur geringen ESG-Wert extrem starke Verluste verzeichnen mussten (die Kurve der Anlagen mit geringem ESG-Wert reicht weiter in den Bereich negativer Renditen ganz links hinein).

Zusammenfassend lässt sich also festhalten: Nachhaltige „aktive“ Fondsanlagen hatten während der Coronakrise im Durchschnitt insgesamt geringere Verluste zu verzeichnen und zugleich war der Anteil derjenigen, die erhebliche Verluste hinnehmen mussten, deutlich geringer als bei denjenigen Fonds, die den Nachhaltigkeitsaspekt vernachlässigen.

Die Entwicklung nachhaltiger Anlagen speziell in den Monaten März und April – dem Höhepunkt der Krise – wird anhand der nachfolgenden Abbildung 3 beleuchtet.

 

ESG Performance

 

Die Grafik zeigt die relative Performance (Fondsrendite abzüglich Rendite einer Benchmark3) der 30 % der Fonds mit der besten und der 30 % der Fonds mit der schlechtesten ESG-Gesamtwertung über die zwei erwähnten Krisenmonate hinweg. Ein Wert von null bedeutet folglich, dass sich die Fonds in puncto Rendite entsprechend der Benchmark, sprich ihrem Vergleichsmaßstab, entwickelt haben. Die zutage tretenden Unterschiede sind erheblich und von hoher statistischer Signifikanz. Das bedeutet, dass es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann, dass die Verläufe in Abbildung 3 rein zufällig zustande gekommen sind. Der Grund für das bessere Abschneiden der nachhaltigen Anlagen ist also tatsächlich in ihrer anderen, auf Nachhaltigkeitskriterien basierenden Auswahl zu suchen.

Zusätzlich aufschlussreich ist die in der folgenden Abbildung 4 dargestellte Aufschlüsselung in die drei einzelnen ESG-Teilbereiche.

 

ES Performance im Detail

 

Wie schon in Abbildung 3 wird auch hier innerhalb jeder Kategorie nach den 30 % der am besten bewerteten und den 30 % der am schlechtesten bewerteten Fonds unterschieden. Die aufgezeigten Differenzen sind für den Bereich „Umwelt“ extrem signifikant, für „Soziales“ kaum (nachhaltige Fonds schneiden hier ausnahmsweise etwas schlechter ab) und für „ethische Unternehmensführung“ nicht signifikant.

Zusammenfassend lässt sich festhalten: Nachhaltige (Fonds-)Investments zeigten sich insgesamt erheblich krisenresistenter als ihre weniger nachhaltigen Pendants. Der entscheidende Faktor hierbei war der ESG-Teilbereich „Umwelt“.

 

Warum waren nachhaltige Anlagen in der jüngsten Krise stabiler?

In der NBER-Studie werden keine Mutmaßungen darüber angestellt, was genau die Ursachen dieser doch sehr erstaunlichen Ergebnisse sind.

Ein nach unserer Überzeugung jedoch naheliegender nicht unwesentlicher Grund dürfte das unterschiedliche Verhalten der jeweiligen Investorengruppen sein. Im Vergleich mit der Gesamtheit aller Anleger sind die Käufer nachhaltiger Investments offenbar längerfristig orientiert und von daher auch weniger geneigt, sich von ihrer Anlage überstürzt zu trennen, wenn es an den Märkten einmal rumpelt. Der Wunsch vieler Anleger, ihr Geld guten Gewissens zu investieren, geht also offenkundig mit einer ruhigen Hand und einem kühlen Kopf einher. Speziell in Krisenzeiten führt dies dazu, dass auf nachhaltigen Anlagen ein geringerer Verkaufsdruck lastet, was dann in der Folge geringere Kursverluste bedeutet. Darüber hinaus weisen die Forschungsergebnisse darauf hin, dass dieser speziellen nachhaltigen Anlegergruppe offenbar die ESG-Dimension „Umwelt“ am meisten am Herzen liegt.

 

Schlussfolgerungen für Anleger

Die vorgestellte Studie bestätigt Befunde auch anderer Untersuchungen: Nachhaltige Anlagen scheinen speziell in Krisenzeiten als eine Art Verlustabsicherung zu fungieren4 (im Fachjargon als „Krisen-Put“ bezeichnet – ein Put ist ein an den Optionsmärkten gängiges Instrument, um sich gegen Verluste abzusichern).

Zu bedenken ist jedoch, dass in der Studie ausschließlich prognosegetriebene („aktiv gemanagte“) Fonds miteinander verglichen wurden und die Überlegenheit nachhaltiger Fonds speziell in dieser Gruppe belegt wurde. Die ganz grundsätzlichen Vorbehalte, welche man gegenüber „aktiv gemangten“ Fonds haben sollte (und auf die wir schon mehrfach hingewiesen haben: zu hohe Kosten und Risiken, keine verlässliche Mehrrendite), gelten für nachhaltige Anlagen aber natürlich ganz genauso. Mit der Frage, wie sich „aktive“ Fonds insgesamt in der Krise geschlagen haben, beschäftigen wir uns dann in der nächsten Ausgabe des Logbuchs.

Wie sollen Anleger nun mit den hier geschilderten Befunden umgehen? Da wir überzeugt sind, dass sich die Ergebnisse der vorgestellten Studie auch auf indexnahe, prognosefreie Anlageprodukte übertragen lassen, besteht die beste Möglichkeit aus unserer Sicht darin, zwar grundsätzlich auf nachhaltige Anlagen zu setzen, dabei aber die generellen Nachteile prognosegetriebener Finanzprodukte zu vermeiden.

Kurzum: Idealerweise kombiniert man wissenschaftliches Anlagemanagement mit den anerkannten ESG-Nachhaltigkeitskriterien und investiert sein Geld weltweit breitestmöglich gestreut. Seit rund einem Jahr ist dies bei der Quirin Privatbank im Rahmen der Vermögensverwaltung „Verantwortung“ möglich.

 

Sie wollen mehr zum Thema erfahren? Dann schauen Sie auf unserer Website „Nachhaltige Geldanlage bei der Quirin Privatbank“ vorbei und laden Sie sich unseren PDF-Flyer „Nachhaltigkeit und Rendite“ in Einklang bringen" runter.

Verantwortungsvoll investieren Flyer

 

1 Pastor, L., Vorsatz, M. B., 2020, Mutual Fund Performance and Flows during the COVID-19 Crisis, Working Paper 27551, National Bureau of Economic Research, Cambridge, MA 02138.

2 Anmerkung: Im nächsten Logbuch werden wir der ersten Frage nachgehen: Wie haben „aktive“ Fonds ganz allgemein in der Krise abgeschnitten?

3 Als Benchmarks fungieren hier die jeweiligen FTSE/Russel-Indizes.

4 Vergleiche hierzu: (1) Albuquerque, R. A., Koskinen, Y., Yang, S., Zhang, C., 2020, Love in the time of COVID-19: The resiliency of environmental and social stocks, Working Paper, Boston College. (2) Nofsinger, J., Varma, A., 2014, Socially responsible funds and market crisis, Journal of Banking and Finance, 48, 180-193. (3) Pastor, L., Stambaugh, R. F., Taylor, L. A., 2020, Sustainable Investing in Equilibrium, Journal of Financial Economics, Forthcoming.

 

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