Es ist mal wieder so weit: Gefühlt zum 83. Mal wird politisch darüber diskutiert, ob Provisionen im Finanzvertrieb abgeschafft werden sollten oder nicht. Druck macht diesmal die EU, ganz konkret die Finanzmarktkommissarin Mairead McGuinness. Gut so, denn schon lange ist meiner Meinung nach ein Provisionsverbot in Deutschland fällig.
Der Aufschrei der betroffenen Banken und Finanzdienstleister ist riesig. Doch was wir derzeit an öffentlichem Widerstand sehen, ist nur die Spitze des Eisberges – im Hintergrund laufen die Lobbyisten gerade zur Höchstform auf. Nicht umsonst ist die Lobby der Banken die stärkste von allen, das ist im Lobbyregister des Deutschen Bundestages nachzulesen. Bisher hat sie ein Provisionsverbot immer wieder erfolgreich abzuwenden gewusst.
Das Hauptargument: Wenn Provisionen im Finanzvertrieb wegfallen, wird alternativ die Honorarberatung eingeführt und diese können sich nicht alle Menschen leisten. Deshalb würde eine Beratungslücke entstehen. Das ist jedoch schlicht nicht zutreffend. Denn: Was nicht da ist, kann auch nicht wegfallen. Es gibt de facto heute keine Beratung in Banken (und erst recht keine kostenlose Beratung), sondern nur einen reinen Produktverkauf, der das Überleben der provisionsfinanzierten Banken sicherstellt.
Das Ergebnis dieses Abverkaufes haben wir seit der Gründung der Quirin Privatbank schon in so vielen Depots von Anlegerinnen und Anlegern sehen müssen, die sich nach schlechten Erfahrungen mit den Provisionsbanken an uns gewendet haben. Sie haben haarsträubende Geschichten mitgebracht von unpassenden, völlig überteuerten oder nicht rentierlichen Produkten, die ihnen in den Großbanken und Sparkassen dieser Welt verkauft wurden. Von ähnlichen Beispielen berichtete neulich die Süddeutsche Zeitung[1]:
Walz betont im Übrigen immer wieder, dass diese Fälle absolut keine Ausnahmen, sondern die Regel sind. Ein weiteres Beispiel der Nachteiligkeit des Provisionssystems war dieser Tage in der Börsen-Zeitung zu lesen.[3] Die Kollegen hatten sich die Mühe gemacht und die Kostenquoten für Fondsanleger in den Niederlanden und bei uns angeschaut.
Bei unseren europäischen Nachbarn liegt die Kostenquote im Schnitt bei 0,55 % für Aktienfonds, hierzulande ist es mit 1,46 % fast ein Prozent mehr. Übersetzt heißt das: Hätten die Deutschen die 643 Milliarden Euro, die sie laut BVI Ende 2021 in Aktienfonds investiert hatten, in den Niederlanden angelegt, hätten sie 5,85 Milliarden Euro an Kosten sparen können. Diese 5,85 Milliarden Euro sind platt gesagt Subventionen für die provisionsfinanzierten Banken auf Kosten der deutschen Anlegerinnen und Anleger.
Ein Provisionsverbot könnte Bankkundinnen und Bankkunden diesen ganzen Mist – gestatten Sie mir bitte ausnahmsweise diese Formulierung – und damit erhebliche finanzielle Schäden ersparen. Denn das, was aus Anlegersicht bei einem Provisionsverbot wegfallen würde, wäre dieser provisionsgetriebene Abverkauf. Und der hat mit Beratung absolut nichts zu tun.
Der „Berater“ in einer provisionsfinanzierten Bank ist kein Berater, er ist ein Verkäufer. Genauso wie der Autoverkäufer im BMW-Autohaus ein Verkäufer ist und bleibt, auch wenn er Sie noch so gut zu den verschiedenen BMW-Modellen berät. Aber er wird Ihnen niemals einen VW, einen Opel oder einen Ford empfehlen, auch wenn diese Marken vielleicht besser zu Ihren Bedürfnissen passen würden.
Den Beraterinnen und Beratern kann man letztlich gar keinen Vorwurf machen, sie sind Gefangene des Systems – und viele brechen genau deswegen eben auch aus diesem System aus, weil sie den Abverkauf satt haben und weil sie ihre Kundinnen und Kunden unabhängig und transparent beraten wollen. Aus diesem Grund sind die Beraterinnen und Berater der Quirin Privatbank heute bei uns.
Zurück zum Auto: Dieses kann ich Probe fahren, bei der Geldanlage ist das nicht möglich, ich erkenne als Anleger oft erst spät(er), ob ein Produkt gut und passend war oder ob es nur den Zweck erfüllt hat, Provisionseinnahmen für die Bank zu generieren. Verfehlt das Produkt das vom Kunden beabsichtigte Ziel, kann das fatale Folgen haben. Deshalb muss die Beratung bei Produktabschluss von Provisionen unabhängig erfolgen.
Theoretisch könnten sämtliche Banken das ab sofort umsetzen und schon heute auf Honorarberatung umstellen. Sie verdienen aber mit Provisionen schlichtweg deutlich mehr und werden daher freiwillig nie umsatteln. Deshalb wird es keinen Weg um ein Provisionsverbot geben, zumindest wenn man Bankkunden besser schützen möchte als Banken.
Die Provisionsverteidiger betonen übrigens immer wieder gerne, dass sie doch alle Gebühren und Provisionen ganz transparent aufzeigen, das sei schließlich eine gesetzliche Vorgabe. Ja, das stimmt sogar in den meisten Fällen. Es hilft aber nur, wenn man ein echter Finanzprofi ist, denn die vielen Dutzend Seiten ausgehändigten Papiers liest Otto Normalverbraucher in der Regel nicht, und selbst wenn er es täte, wage ich zu bezweifeln, dass er dann auch noch die richtigen Schlüsse daraus ziehen würde. Da die gesetzlich geforderte Transparenz aber kein Selbstzweck ist, sondern das Ziel hatte, die Beratungsqualität zu verbessern, muss man klar feststellen: Der Plan ist krachend gescheitert, das Ziel wurde nicht erreicht. Die Zeche bezahlen weiterhin die Anlegerinnen und Anleger.
Liebe Leserinnen und Leser, ja, ein Provisionsverbot ist ein harter Markteingriff, und wer mich kennt, weiß, dass ich kein Freund von politischen Eingriffen in den Markt bin – ein Provisionsverbot ist hier eine Ausnahme, denn es schützt die Anlegerinnen und Anleger, sorgt für eine gesunde Bereinigung des Marktes, wodurch die Qualität von Beratung und Anlageprodukten steigt. Das derzeitige System hingegen kostet die Anlegenden unnötig Geld, verwehrt ihnen Rendite oder sorgt dafür, dass sie nicht die Produkte bekommen, die sie wirklich brauchen.
Ich werde oft gefragt, ob wir es begrüßen würden, wenn ein Provisionsverbot käme – oder nicht. Wir als Quirin Privatbank brauchen dieses Verbot nicht – wir sind unseren Weg bisher auch so erfolgreich gegangen und werden das auch weiterhin tun. Für das Gros der deutschen Anlegerinnen und Anleger wäre es aber ein echter Gewinn, wenn das Provisionsverbot nun endlich käme, nachdem es schon so oft zur Diskussion auf der politischen Agenda stand.
Was mich persönlich an der aktuellen Diskussion stört (und auch an allen vorherigen), ist, dass die Argumente gegen die Honorarberatung oft wissentlich, manchmal unwissentlich falsch angeführt werden: So ist die unabhängige Beratung gegen Honorar nicht teurer als die vermeintlich kostenlose Beratung der Provisionsbanken (siehe Grafik), Honorare werden in der Regel nicht auf Stundenbasis abgerechnet, sondern prozentual, und die Honorarberatung funktioniert wider alle Unkenrufe für alle Einkommens- und Vermögensklassen.
Bis dahin scheint vor allem auch auf politischer Ebene Aufklärungsarbeit in Sachen Provisions- und Honorarberatung nötig zu sein, denn selbst das Finanzministerium schlägt in die Kerbe, dass mit dem Provisionsverbot eine Beratungslücke entstehen würde – und stellt sich gegen das Verbot von Provisionen. Gerne wird der folgende Satz bemüht: „Viele Kunden hätten bei einem Provisionsverbot keinen Zugang mehr zu einer adäquaten Beratung.“ Ich habe oben gezeigt, dass die vermeintliche Beratung de facto ein plumper Abverkauf ist. Wenn ich dann also den Satzteil „adäquate Beratung“ durch „plumpen Produktverkauf“ ersetze, komme ich auf: „Viele Kunden hätten bei einem Provisionsverbot keinen Zugang mehr zu einem plumpen Produktverkauf.“ – und dann wiederum kann ich nur sagen: Na Gott sei Dank!
Autor: Karl Matthäus Schmidt, Vorstandsvorsitzender der Quirin Privatbank und Gründer von quirion
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