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KI-Hype aus Anlegersicht: Boom oder Blase?

Karl Matthäus Schmidt
,
CEO und Gründer der Quirin Privatbank AG
5
Minuten

Eine Schlagzeile bestimmt derzeit die Finanzpresse – überall wird diskutiert, ob der aktuelle KI-Hype mit der Dotcom-Krise von vor 25 Jahren zu vergleichen ist und ob die KI-Blase demnächst mit genauso verheerenden Folgen platzen wird. Eine spannende Frage, über die ich neulich mit Michael Maisch vom Handelsblatt gesprochen habe. Der entsprechende Artikel „Kein blindes Investieren wie damals“1 ist vor wenigen Tagen erschienen. Heute möchte ich diese Frage gern hier für Sie beantworten.

Das Wichtigste in Kürze:

  • Der KI-Hype wird derzeit oft mit der Dotcom-Blase verglichen  
  • Es gibt Parallelen, aber auch entscheidende Unterschiede  
  • Damals gab es überbewertete Businesspläne, heute echtes Business  
  • Starke Geschäftsmodelle und steigende Gewinne machen KI-Unternehmen zu Wachstumstreibern  
  • Anleger sollten nicht nur in KI-Titel, sondern breit gestreut investieren

Die Dotcom-Ära, als zahlreiche Internetfirmen die Märkte eroberten, ist mir noch lebhaft in Erinnerung. Damals war ich Chef von Consors, die Boulevardmedien riefen das Ende der Erwerbsarbeit aus, Taxifahrer gaben Tipps für neueste Börsenkandidaten, winzige Firmen, die nur aus einem ehrgeizigen Businessplan bestanden, waren plötzlich Milliarden wert. Um Milliarden geht es auch beim aktuellen KI-Hype. Laut der Schweizer USB wird das weltweite Investitionsvolumen in KI in diesem Jahr voraussichtlich 375 Milliarden Dollar erreichen, bis 2026 soll es sogar bis auf 500 Milliarden Dollar anwachsen.2 Enorme Summen also. Parallel dazu sind die Bewertungen dieser und anderer KI-Unternehmen zuletzt stark gestiegen. Das wirft Fragen auf, und immer mehr Stimmen warnen vor Parallelen zur Dotcom-Blase.  

Was ist da dran? Entsteht tatsächlich gerade die nächste große Blase? Selbst Finanz- und Marktexperten sind sich in dieser Frage nicht einig. Eine aktuelle Studie der Bank of America3 zeigt, dass 54 % der Investoren derzeit von einer KI-Blase ausgehen, 38 % hingegen sehen keine Anzeichen für deren Existenz. Ich, liebe Leserinnen und Leser, habe dennoch eine ganz klare Antwort auf diese Frage.

Viele Gemeinsamkeiten …  

Fakt ist, es gibt definitiv einige Gemeinsamkeiten: Damals wie heute erleben wir einen tiefgreifenden technologischen Umbruch, der nicht nur ganze Branchen, sondern unser aller Leben verändert. Das führt – damals wie heute – bei vielen Anlegern zu einer Art Goldgräberstimmung: Jeder will dabei sein, niemand etwas verpassen. Zudem sind die Bewertungen vieler Unternehmen sehr ambitioniert. Anleger überschätzen kurzfristig das Potenzial einer neuen Technologie und unterschätzen ihre langfristige Wirkung – das war vor 25 Jahren bei den Dotcom-Unternehmen genauso. 

… und ein ganz entscheidender Unterschied!  

Allerdings waren einzelne Titel damals noch viel höher bewertet bzw. die Gewinne überhaupt nicht vorhanden. Das ist heute definitiv anders. „Ende der 1990er-Jahre brauchte es keinen positiven Cashflow und keine Gewinne für eine Milliardenbewertung an der Börse. Die Kommerzialisierung des Internets sorgte für einen modernen Goldrausch“, schreibt Michael Maisch dazu. So hat sich beispielsweise der Wert des Nasdaq zwischen 1995 und 2000 fast versiebenfacht, um dann innerhalb von zwei Jahren 64 % an Wert einzubüßen4, den Frankfurter „Little Nasdaq“, den Neuen Markt, gibt es längst nicht mehr.

Heute ist die Technologie hingegen real. KI verändert bereits Geschäftsprozesse, Produktivität und Effizienz – sie ist kein reines Versprechen mehr wie viele Internetideen damals, sie ist ein echtes Business. Das zeigt unser aller Alltag täglich: Navigations-Tools wie Google Maps, Sprachassistenten wie Alexa, Ridesharing-Apps wie Uber basieren genauso auf KI wie automatische Textkorrekturen oder Gesichtserkennungsprogramme. KI lässt uns mit PayPal und Co. in Echtzeit bezahlen und steuert, was uns in sozialen Medien angezeigt wird. Sie saugt in Form eines Roboters unser Haus und sagt uns mithilfe der Smart Watch, wann wir wie viel Sport machen sollten. Das heißt, KI und deren Anwendung ist schon lange keine Zukunftsfantasie mehr, sondern fester Bestandteil unseres täglichen Lebens.

Zudem sind die Bewertungen nicht aus der Luft gegriffen, sondern basieren auf Umsätzen und Gewinnen. Investitionen der KI-Unternehmen werden aus dem laufenden Cashflow und nicht auf Kredit finanziert. Die unterstützende Geldpolitik der US-Notenbank spielt den Unternehmen zusätzlich in die Karten. Viele Experten gehen daher von einem weiterhin starken Wachstum der KI-Unternehmen aus.

Viele werden scheitern – Hände weg!

Und dennoch: Auch wenn der KI-Hype keine Blase, sondern ein Wachstums-Boom ist, rate ich Anlegerinnen und Anlegern zur Vorsicht. Viele Unternehmen, die heute am Markt sind, werden scheitern, Konsolidierungen gehören gerade in boomenden Branchen zum Marktgeschehen dazu. Das heißt, es werden Unternehmen wieder vom Markt verschwinden, die heute vielleicht noch erfolgreich sind – und niemand kann sagen, wen dieses Schicksal ereilen wird. Auch wenn die kurz- und mittelfristigen Investitionssummen astronomisch ausfallen – Morgan Stanley rechnet allein bis 2028 mit Kosten von 2,9 Billionen US-Dollar5 –, nicht alle Investitionen werden aufgehen.

Wer dennoch versucht, mit einzelnen KI-Aktien schnell reich zu werden, macht den gleichen Fehler wie viele Anlegerinnen und Anleger in der Dotcom-Phase. Denn Einzelaktien sind und bleiben Zockerei, es ist unmöglich vorherzusehen, welche KI-Unternehmen am meisten profitieren werden. Es macht aus finanzwissenschaftlicher Sicht absolut keinen Sinn, auf einzelne KI-Titel zu setzen – das ist und bleibt eine Wette, von der ich Ihnen nur abraten kann.  

Erfreulich ist, dass viele Anlegerinnen und Anleger das meiner Beobachtung nach bereits verinnerlicht haben, ich kann heute kein so blindes Investieren feststellen, wie es das vor 25 Jahren gab. Und ich freue mich, dass diese Aussage es sogar zur Headline im Handelsblatt geschafft hat. Viele, die heute mit ein wenig Spielgeld auf weitere Kursgewinne beispielsweise des KI-Stars Nvidia wetten, haben meiner Erfahrung nach meist parallel auch einen ETF-Sparplan im Depot. Und das ist tatsächlich das Beste, was Sie tun können: Investieren Sie weltweit breit gestreut, statt auf einzelne Überflieger zu hoffen, und bleiben Sie auch in turbulenten Zeiten investiert – das ist auf Dauer die erfolgreichste Strategie.

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[1] Handelsblatt vom 29.10.2025, „Kein blindes Investieren wie damals“
[2] Handelsblatt, s.o.
[3] Opinions split over AI bubble after billions invested | Reuters
[4] Handelsblatt, s.o.
[5] FAZ.net vom 02.11.2025, "Die große Angst vor der KI-Blase"

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Über den Autor
Karl Matthäus Schmidt

Karl Matthäus Schmidt ist Gründer und CEO der Quirin Privatbank. Er ist Banker in sechster Generation und revolutionierte bislang dreimal den deutschen Bankenmarkt. Mit 25 Jahren gründete er den ersten Onlinebroker Deutschlands, Cortal Consors, den er nach dem Börsengang an eine französische Großbank verkaufte. 2006 brachte er Deutschlands erste unabhängig beratende Bank, die heutige Quirin Privatbank, auf den Markt. Sie verzichtet auf die Annahme von Provisionen und kann Anlegerinnen und Anleger deshalb unabhängig beraten. 2013 gründete Schmidt den ersten Robo-Advisor Deutschlands, quirion, um allen Menschen einen Zugang zu einer guten und günstigen Geldanlage zu ermöglichen. Seine Vision ist es, mehr Menschen in Deutschland zu besseren Anlegern zu machen. Als Vorstand verantwortet er unter anderem die Bereiche Privatkundengeschäft und Anlagemanagement, außerdem ist er Aufsichtsratsvorsitzender der quirion AG. Der gebürtige Franke ist verheiratet, Vater von fünf Kindern und lebt in seiner Wahlheimat Berlin und Brandenburg.

Hören Sie passend zum Thema unseren Podcast „klug anlegen“

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