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UniCredit: ein Desaster für den deutschen Bankenmarkt?

Karl Matthäus Schmidt
,
CEO und Gründer der Quirin Privatbank AG
6
Minuten

„Ist mein Geld dort noch sicher, Herr Schmidt?“ – Diese Frage habe ich dieser Tage des Öfteren gehört, und zwar von Kundinnen und Kunden, die ein Konto bei der Commerzbank haben. Hintergrund ist die aktuelle Beteiligung der italienischen UniCredit an der zweitgrößten deutschen Bank, der Commerzbank. Auch medial sorgte das Thema für ordentlich Furore. Aber, um das schon mal vorwegzunehmen: Ja, Ihr Geld ist sicher und Sie müssen sich keine Sorgen machen.

Das Wichtigste in Kürze:

  • UniCredit erwirbt umfassend Anteile an der Commerzbank
  • Kritik auf breiter Front, vor allem Friedrich Merz und Olaf Scholz bemängeln das Vorgehen der italienischen Bank und fordern mehr staatliche Eingriffe
  • UniCredit ist wirtschaftlich deutlich besser aufgestellt als die Commerzbank
  • Statt mehr staatliche Eingriffe braucht es ein Mehr an Marktwirtschaft 

Doch von vorn: Die UniCredit hat im September in mehreren Tranchen Commerzbank-Aktien erworben. Am 11. September kaufte sie rund 9 % der Unternehmensaktien. Am 23. September erhöhte die UniCredit ihren Anteil durch den Erwerb zusätzlicher Finanzinstrumente auf insgesamt etwa 21 % der Commerzbank-Aktien. Der Bund hatte zuvor ein größeres Aktienpaket verkauft. Nach Angaben von Finanz-Szene1 hat die UniCredit zudem die Erhöhung dieser Anteile auf 29,9 % bei der EZB beantragt, die Genehmigung sei laut des Branchenmediums in der Regel nur eine Formsache.

Kritische Stimmen

Diese Entwicklung ruft viele Kritiker auf die Tagesordnung, allen voran – das liegt in der Natur der Sache – die Commerzbank selbst. Hierzulande ist sie neben der Deutschen Bank der größte Player am Markt und findet die Aktienkäufe der UniCredit wenig erbaulich. Das Unternehmen betont immer wieder, selbstständig bleiben zu wollen. Die neue CEO der Commerzbank, Bettina Orlopp, will nach eigenen Angaben alles daran setzen, die Eigenständigkeit der Bank zu bewahren. Dafür müssten alle Mitarbeitenden als ein Team zusammenstehen.2 Ob das am Ende reichen wird? Ich glaube es kaum.  

Kritische Stimmen kommen naturgemäß auch von den Gewerkschaften. Verdi malt den Teufel an die Wand und warnt vor 25.000 Stellen, die abgebaut werden könnten, sollte es tatsächlich zu einer Übernahme kommen.

Auch Verbraucherschützerinnen und Verbraucherschützer sowie Politikerinnen und Politiker kritisieren den italienischen Vorstoß heftig. Unser amtierender Kanzler Olaf Scholz bewertet den Kauf der Aktienpakete als „unfreundliche Attacke“, „feindliche Übernahmen sind nicht das, was für Banken eine gute Sache sind“. Er wird noch deutlicher: „Wir halten das nicht für ein angemessenes Vorgehen in Europa und in Deutschland, dass man gewissermaßen ohne jede Kooperation, ohne jede Rücksprache, ohne jede Rückkoppelung versucht, mit unfreundlichen Methoden sich an Unternehmen aggressiv zu beteiligen.“3 Er muss es wissen, mit Banken kennt er sich schließlich aus.  

Früher BlackRock, heute Sozialist?

Und auch Friedrich Merz, der ehemalige BlackRock-Chef in Deutschland, wettert derzeit heftig gegen das Vorgehen der italienischen Großbank. Da kann ich mich ehrlich gesagt nur noch wundern. Ausgerechnet jemand, der jahrelang für einen der größten globalen Vermögensverwalter gearbeitet hat, äußert sich nun so kritisch und sieht in den Plänen ausländischer Investoren eine Gefahr für die deutsche Bankenlandschaft? Das passt für mich nicht zusammen.

So kritisiert Merz vor allem, dass der Bund seine Anteile an der Commerzbank verkauft habe, ohne mögliche Folgen zu beachten. Er fürchtet eine feindliche Übernahme, mit erheblichen Konsequenzen für den deutschen Bankenmarkt und den Mittelstand hierzulande, der dann in Merz’ Augen weniger Kredite finanziert bekäme. Merz plädiert für eine stärkere Rolle des deutschen Staates und der Finanzaufsicht, um die Kontrolle über wichtige nationale Banken zu bewahren und eine „feindliche Übernahme“ aus dem Ausland zu verhindern.

In meinen Augen sind diese Kritik und diese Forderungen absolut fehl am Platz. Ich bin vielmehr davon überzeugt, dass die Marktwirtschaft der bessere Unternehmer ist als der Staat. Wenn eine Bank wie die Commerzbank schlecht gemanagt ist, dann kommt sie früher oder später eben unter die Räder.

Was wir von den Italienern lernen können

Vielmehr dürfte es ein Segen sein, dass die Italiener bei der Commerzbank einsteigen, von ihnen können wir anscheinend noch eine ganze Menge lernen. So sind deutsche Banken in den letzten Jahren zwar deutlich wettbewerbsfähiger geworden, wie auch Finanz-Szene schreibt. Dennoch sind italienische (aber auch französische) Banken wirtschaftlich gesehen deutlich effizienter als die Häuser hierzulande. Das zeigt der Blick auf ein paar unternehmerische Kennzahlen zweifelsfrei.

Deutsche Banken: höhere Kosten durch mehr Einkommensmillionäre

Parallel leisten sich deutsche Banken – trotz schlechterer Unternehmenszahlen – deutlich mehr Einkommensmillionäre als beispielsweise ihre italienischen Pendants. So sind es allein bei der Deutschen Bank hierzulande 500 Einkommensmillionäre, bei den italienischen Großbanken sind es 359.4
   
Die genannten Zahlen belegen es, italienische Banken, allen voraus die UniCredit, sind deutlich agiler, weniger träge, weniger satt als deutsche Institute, so das Fazit von Finanz-Szene. Das muss man sich mal überlegen – Italien stand vor sechs Jahren noch kurz vor dem Exodus, finanziell gesehen. Und heute übernimmt eine italienische Bank vielleicht die zweitgrößte deutsche Bank, das ist eine beachtliche Leistung. Und dass das so ist, ist einzig und allein das Ergebnis eines deutlich besseren Kostenmanagements.

Und die Commerzbank könnte nicht die letzte sein…

Der größte Player am heimischen Bankenmarkt, die Deutsche Bank, tut indes so, als ginge sie das alles nichts an. Dabei könnte sie die nächste sein, denn auch sie steht nicht gut da: Ihre Aktie ist fundamental unterbewertet, die Marktkapitalisierung von 29 Milliarden Euro und die Cost-Income-Ratio von 69 % sind jedenfalls keine guten Schutzschilder, wie Finanz-Szene es formuliert.

Doch statt ständig nach noch mehr staatlichem Eingriff und Regulierung zu rufen, sollten wir eher die Debatte „zurück zu mehr Markt“ führen. Der Staat hat einmal mehr bewiesen, dass er weder ein guter Unternehmer noch ein guter Investor ist. Deshalb sage ich: Hände weg von staatlicher Industriepolitik. Die geht meist nur zulasten der Steuerzahler und damit letztlich gegen unser aller Vermögen. Deshalb lasst uns lieber wieder mehr Marktwirtschaft wagen!

Das, was Kritiker Friedrich Merz momentan tut, ist eine Form des Populismus – und das weiß er auch. Er tut es trotzdem, weil es ihm nützt. Doch auch wenn Merz das Vorgehen der UniCredit als ein „Desaster für den deutschen Bankensektor“5 bezeichnet, Fakt ist: Andrea Orcel, der CEO der UniCredit, und Co. sind die besseren Banker. Ich persönlich freue mich jedenfalls, dass wenigstens die Commerzbank eine europäische Bank bleibt!

Was denken Sie über die neuesten Entwicklungen bei der Commerzbank? Ist es sinnvoll, die zweitgrößte deutsche Bank zu schützen? Oder soll der Markt das regeln? Sind Merz und Scholz wirklich die besseren Investoren?

1 Ist die Unicredit böse – oder sind die Italiener bloß gute Banker?
2 Commerzbank für Eigenständigkeit
3 Commerzbank: Unicredit pfeift auf das Berliner Machtwort – und offenbart ihre wahren Absichten - WELT
4 Ist die Unicredit böse – oder sind die Italiener bloß gute Banker?
5 Unions-Kanzlerkandidat Merz zu Commerzbank - Desaster für deutschen Bankensektor

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Über den Autor
Karl Matthäus Schmidt

Karl Matthäus Schmidt ist Gründer und CEO der Quirin Privatbank. Er ist Banker in sechster Generation und revolutionierte bislang dreimal den deutschen Bankenmarkt. Mit 25 Jahren gründete er den ersten Onlinebroker Deutschlands, Cortal Consors, den er nach dem Börsengang an eine französische Großbank verkaufte. 2006 brachte er Deutschlands erste unabhängig beratende Bank, die heutige Quirin Privatbank, auf den Markt. Sie verzichtet auf die Annahme von Provisionen und kann Anlegerinnen und Anleger deshalb unabhängig beraten. 2013 gründete Schmidt den ersten Robo-Advisor Deutschlands, quirion, um allen Menschen einen Zugang zu einer guten und günstigen Geldanlage zu ermöglichen. Seine Vision ist es, mehr Menschen in Deutschland zu besseren Anlegern zu machen. Als Vorstand verantwortet er unter anderem die Bereiche Privatkundengeschäft und Anlagemanagement, außerdem ist er Aufsichtsratsvorsitzender der quirion AG. Der gebürtige Franke ist verheiratet, Vater von fünf Kindern und lebt in seiner Wahlheimat Berlin und Brandenburg.

Hören Sie passend zum Thema unseren Podcast „klug anlegen“

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