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Übergewinnsteuer: Gut gemeint ist nicht gut gemacht

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Ganz ehrlich: Ich möchte kein Politiker sein. Wirklich nicht. Und ich habe großen Respekt vor den Lenkern unseres Landes, vor allem in Krisenzeiten, wie wir sie derzeit erleben. Es ist mit Sicherheit keine leichte Aufgabe, die Interessen aller Menschen gegeneinander abzuwägen und dann die richtigen Maßnahmen zu ergreifen, um Krisen zu bewältigen. Viele politische Entscheidungen werden gerade in schwierigen Zeiten öffentlich heiß diskutiert – das haben wir auf den Höhepunkten der Corona-Pandemie gesehen und das sehen wir jetzt in der Energiekrise wieder.

Gasumlage: Was ist das?   

Russland hat uns den Gashahn abgedreht, infolgedessen sind die Energiepreise explodiert. Die Sorge der Bundesregierung: Energieversorger könnten in Schieflage geraten, was wiederum die gesamte Gasversorgung bedrohen würde. Eine Gasumlage soll sie deshalb retten, so der Plan. Mit dieser Umlage wird ein Fonds gebildet, aus ihm werden Gasunternehmen gestützt, die es sich ansonsten nicht mehr leisten könnten, Gas einzukaufen. Ab Oktober sollen Millionen Gas-Kunden bundesweit die Umlage in Höhe von zunächst 2,419 Cent je Kilowattstunde zahlen, diese wird alle drei Monate neu berechnet, kann also steigen oder sinken.

Gaspreis-Explosion seit 2021

Gasumlage: Die Kritikpunkte

Wie wenig durchdacht diese Umlage ist, zeigt Gabor Steingart pointiert im The Pioneer Briefing vom 22. August 2022. Seiner Auffassung nach sprechen einige Punkte gegen diese Umlage, zum Beispiel:











Wirrwarr bei den Gaskosten für Verbraucher

Ein Punkt, der mir bei Steingart fehlt und mir fast am wichtigsten erscheint: Der Marktmechanismus wird durch dieses Hin und Her gestört. Denn: Steigende Preise führen zur Reduktion des Verbrauchs. So funktioniert der Markt. Und so soll er ja auch funktionieren – Gas ist im Moment eben knapp, der Preis signalisiert das und führt dazu, dass weniger verbraucht wird. Wenn nun die Mehrwertsteuer auf Gas wieder gesenkt wird, verpufft dieser Effekt. Anstatt nur denjenigen zu helfen, die sich trotz Sparsamkeit ihr Gas nicht leisten können, wird mit der Gießkanne verteilt. Übrigens nicht nur an Privathaushalte, die man vielleicht im Sinn hat, sondern auch an Unternehmen. Hier ist der reduzierte Sparanreiz möglicherweise noch schädlicher für den Marktmechanismus.

Die Gasumlage und ihre Umsetzung zeigen: Gut gemeint ist noch lange nicht gut gemacht. Derartige Eingriffe in den Markt sind komplex und führen meist nicht zum gewünschten Ergebnis.

Übergewinnsteuer: Die Kriegs- und Krisengewinnler zur Kasse bitten

Wenden wir uns jetzt einem weiteren Aspekt der hohen Gaspreise zu: Die stark gestiegenen Gas- bzw. allgemeiner, der stark gestiegenen Energiepreise infolge des Russland-Ukraine-Krieges lassen die Kassen einiger Energieunternehmen kräftig klingeln: Allein die fünf größten westlichen Ölkonzerne sollen im ersten Quartal 2022 rund 30 Milliarden Euro Gewinne gemacht haben.[1] Medial werden diese Unternehmen gern als Krisengewinnler dargestellt, infolgedessen wird seit einiger Zeit der Ruf nach der Einführung einer Übergewinnsteuer laut. 

Moralisch nachvollziehbar

Der Wunsch, die Krisengewinnler auch an den Folgebelastungen der gestiegenen Energiepreise zu beteiligen, ist vor allem aus moralischer Sicht absolut nachvollziehbar. Für die Einführung einer solchen Steuer sprechen in erster Linie Aspekte wie die soziale Gerechtigkeit. SPD-Chef Lars Klingbeil formuliert es in einem ZDF-Interview wie folgt:

Eine Übergewinnsteuer würde...

Praktische Umsetzung ist die Achillesverse

Aus meiner – und aus der Sicht vieler Experten – wäre die praktische Umsetzung dieser Steuer jedoch überaus problematisch. Wie definiere ich einen Übergewinn, wie operationalisiere ich ihn, wie grenze ich ihn rechtssicher ab? Der unternehmerische Gewinn ist per se erst einmal die Kompensation für eingegangene Risiken – und die müssen entlohnt werden. Sie können jetzt zu Recht sagen, die Mineralölkonzerne, um die es in der öffentlichen Diskussion meist geht, sind keine besonderen unternehmerischen Risiken eingegangen in den letzten Monaten oder haben keine besondere Leistung erbracht, die die aktuellen Mehrgewinne rechtfertigen würde. Wie kann man jedoch den normalen Gewinn vom Übergewinn trennen? So schön es wäre, Kriegs- oder Krisengewinnler gezielt abzustrafen, wird es nicht gelingen, sie sicher zu identifizieren. Und im Umkehrschluss würden viele Unbescholtene mit in Sippenhaft genommen werden. Zudem warnen viele Juristen davor, dass eine solche Sondersteuer nur auf einzelne Branchen oder Unternehmen dem Gleichbehandlungsgrundsatz widersprechen würde.

Gute Übergewinne, schlechte Übergewinne?

Hinzu kommt: Wenn Deutschland eine Übergewinnsteuer bspw. für Mineralölkonzerne einführen würde, müssten wir dann nicht auch eine für Pharma-Unternehmen wie Biontech einführen, die aus der Corona-Krise Profit geschlagen haben? Oder sind das gute Übergewinne, weil sie uns vor noch schwereren Folgen der Pandemie bewahrt haben? Müssen wir dann unterscheiden, was gute und was schlechte Übergewinne sind? Und wenn ja, wer will sich das anmaßen?

Schmidts Tagebuch: Übergewinnsteuer: Gut gemeint ist nicht gut gemacht

Und seien wir mal ehrlich: Wenn wir tatsächlich auch in Fällen wie Biontech Übergewinne an den Staat abführen lassen, dann wäre das doch nun wirklich der größte Wahnsinn überhaupt. Damit kommen wir dann zum ökonomischen Irrsinn einer solchen Steuer: Denn das würde ja bedeuten, wenn jemand ein Problem löst (Versorgung mit Benzin trotz Knappheit aktuell, Entwicklung Impfstoff in einer Pandemie) und mit dieser Lösung Geld verdient – übrigens ist dieser „Übergewinn“ umso größer, je wichtiger die Lösung des Problems ist! –, dann wäre sofort eine Übergewinnsteuer fällig. Nach dieser Logik müsste dann auch der Bäcker zahlen, weil er zwar meinen Hunger stillt, dabei aber mein Problem, selbst kein Brot backen zu können, schamlos ausnutzt. Unsere arbeitsteilige Wirtschaft würde ad absurdum geführt.

Drohende Übergewinnsteuer bremst Wachstum und Innovation

Ein Aspekt, der mir in dieser ganzen Diskussion besonders wichtig ist: „Übergewinne“ bzw. eben einfach die Aussicht auf möglichst hohe Gewinne sind der Anreiz für Unternehmerinnen und Unternehmer und ihre Mitarbeitenden, mit voller Kraft und notfalls rund um die Uhr innovative Lösungen für bestehende Probleme zu suchen oder knappe Güter bereitzustellen. Werden Übergewinne besteuert, laufen wir Gefahr, dass unternehmerische Innovationen ausbleiben, was für Sie und mich und uns alle letztlich bedeutet, dass weniger Bedürfnisse befriedigt, weniger Probleme gelöst und weniger Wohlstand geschaffen wird. Unser Finanzminister brachte es zuletzt so auf den Punkt:

Eine Übergewinnsteuer würde...

Was wäre, wenn …

Eine Frage, die unser Chefvolkswirt in diesem Zusammenhang zudem gerne in die Runde stellt: Was ist aus volkswirtschaftlicher Sicht eigentlich schlimmer? Wenn Aral, BP, Shell und Co. mehr Geld verdienen als üblich, wir alle aber – trotz Krieg, trotz Rohstoffknappheit, trotz Energiepreiskrise – weiterhin tanken können? Oder wenn die Konzerne nichts verdienen würden, weil es schlicht kein Benzin mehr gäbe, weil es eben knapp ist und unsere Volkswirtschaft teilweise zum Erliegen käme?

Parallel ist für mich klar: Wenn die Mineralölkonzerne die aktuelle Situation nachweislich „missbrauchen“, bspw. weil der Tankrabatt nicht an die Endkunden weitergegeben wird, dann muss das verhindert werden – aber das ist in meinen Augen eine bestehende Aufgabe des Kartellamts, dafür braucht man sich nicht das nächste Bürokratiemonster namens Übergewinnsteuer auszudenken.

Wer mich schon länger kennt, weiß, dass ich lieber Fragen beantworte, als sie offen zu lassen. Bei der Frage, wie wir die Energiekrise sozialverträglich und gerecht für alle Marktteilnehmer lösen können, habe ich persönlich jedoch noch einige Fragezeichen im Kopf. Die Sachlage ist schwierig, sie hat viele Dimensionen und Facetten, die erheblichen sozialen Sprengstoff bieten. Klar ist für mich nur: Eine Übergewinnsteuer ist nicht die Lösung!

Klar ist aber auch: Die Energiekrise muss bewältigt werden – und das geht, so schmerzhaft das sein mag und so widersinnig, wie es erst einmal klingt, nur mit steigenden Preisen. Sie signalisieren uns, dass ein Rohstoff oder eine Ware knapp ist und wir daher unsere Nachfrage, soweit es geht, senken sollten. Damit führen sie letztlich dazu, dass unser aller Leben weiter funktioniert: Russland hat uns das Gas abgedreht – und trotzdem haben wir alle noch immer Gas, Strom, Benzin, es wird weiter produziert und wir mussten bisher keine wirklich empfindlichen Einschränkungen hinnehmen – das ist die Kraft des Marktes.

Für viele Menschen sind die steigenden Preise ärgerlich, für einkommensschwache Familien sind sie hingegen existenzbedrohend. Vermögende Menschen wie Sie und ich stecken die Inflation und die enorm gestiegenen Lebenshaltungskosten deutlich besser weg als Haushalte mit geringem Einkommen. Hier sind wiederum die Politiker unseres Landes gefragt – gezielt zu helfen, die Härten für die Schwächsten in unserer Gesellschaft effektiv zu lindern. Und nicht vermeintliche Wohltaten mit der Gießkanne zu verteilen, die am Ende mehr schaden als nutzen. Ich wünsche mir hier zukünftig Lösungen, die nicht nur gut gemeint, sondern auch gut gemacht sind. 

Autor: Karl Matthäus Schmidt, Vorstandsvorsitzender der Quirin Privatbank und Gründer von quirion

 

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