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Besser spät als nie: mehr Wirtschaft wagen

Karl Matthäus Schmidt
,
CEO und Gründer der Quirin Privatbank AG
5
Minuten

Wir sind mit einem blauen Auge davongekommen – so könnte man den politischen Dienstag zusammenfassen. Friedrich Merz wurde erst im zweiten Wahlgang zum Kanzler gewählt – ein Novum, noch nie ist nach einer Bundestagswahl und erfolgreichen Koalitionsverhandlungen ein designierter Kanzler im ersten Wahlgang gescheitert.

Das Wichtigste in Kürze:

  • Neue Regierung diese Woche gebildet
  • Kanzler und Kabinett stehen vor großen Herausforderungen
  • Einige Ministerinnen und Minister bringen erhebliche Wirtschaftskompetenz mit
  • Genau das braucht Deutschland jetzt

Ein blaues Auge ist das deshalb, weil es bei einem Scheitern im zweiten und dritten Wahlgang zu Neuwahlen hätte kommen können. Der damit verbundene Zeitverzug und die andauernde Handlungsunfähigkeit auf dem politischen Parkett hätten Deutschland angesichts der zahlreichen Herausforderungen im Inneren und Äußeren massiv geschadet.

Man kann von Merz oder der CDU halten, was man will – Fakt ist, wir brauchen dringender denn je eine Regierung, die schnell ins Tun kommt. Ob Merz die Schmach vom Dienstag durch sein politisches Agieren hinter sich lassen kann, werden die kommenden Wochen und Monate zeigen. Wie angesichts der Vielzahl an Herausforderungen einige Abgeordnete meinen können, parteipolitische Denkzettel dieses Ausmaßes verteilen zu müssen, das nachzuvollziehen fällt sicherlich nicht nur mir schwer.

Das neue Kabinett der Bundesregierung

Der Erfolg eines Kanzlers hängt aber natürlich nicht von ihm allein, sondern auch von dem Team ab, das ihn umgibt, von der Mannschaft, die er selbst mit aufgestellt hat, von seinem Kabinett. Wer welchen Posten bekommen würde, stand schon vor der Wahl am Dienstag fest. Die Liste aller Ministerinnen und Minister des Kabinetts rund um Friedrich Merz kann im Netz nachgelesen werden, u. a. hier.

Mehr Wirtschaft in der Politik

Besonders gefreut hat mich bei der Besetzung der wichtigsten politischen Ämter, dass einige der Ministerposten an Kandidatinnen und Kandidaten gingen, die aus der Wirtschaft kommen. Sprich, es zieht also endlich mehr Wirtschaft in die Politik ein – etwas, wofür ich schon sehr lange plädiere. Beispielhaft möchte ich vier Personalien mit umfangreicher wirtschaftlicher Berufserfahrung herausgreifen.

  • Karsten Wildberger (parteilos) hat das Amt als Minister für Digitalisierung und Staatsmodernisierung übertragen bekommen. Wildberger ist Unternehmer und deutscher Topmanager, seit 2021 war er Vorstandsvorsitzender der Ceconomy AG und Geschäftsführer der Media-Saturn-Holding GmbH.
  • Katherina Reiche (CDU) ist die neue Wirtschaftsministerin. Sie war schon einmal politisch aktiv, von 1998 bis 2015 als Mitglied des Deutschen Bundestages. Danach war Reiche Hauptgeschäftsführerin beim Verband kommunaler Unternehmen (VKU) und Vorsitzende der Geschäftsführung der innogy-Tochter innogy Westenergie GmbH.
  • Verena Hubertz (SPD) ist die neue Bundesministerin für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen. Sie ist seit 2021 Mitglied des Deutschen Bundestages. Hubertz hat zuvor unter anderem bei Vodafone, PricewaterhouseCoopers und der Commerzbank gearbeitet und als Unternehmerin eine eigene App entwickelt.
  • Und auch der neue Kanzler Friedrich Merz bringt Wirtschaftsexpertise mit. Lange war er für BlackRock, einen der größten Vermögensverwalter weltweit, tätig.

Es ist also durchaus ein ordentliches Maß an profundem Wirtschafts-Know-how in unserer neuen Regierung vorhanden, was mich persönlich sehr freut. Denn genau das brauchen wir jetzt. Vor vier Jahren habe ich mich dazu auch schon einmal im Rahmen eines Tagebuches ausführlicher geäußert1 – damals noch im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie. Und meine Grundhaltung von damals teile ich nach wie vor: Gerade in einer Phase, in der Deutschland wirtschaftlich und technologisch unter Zugzwang steht, brauchen wir mehr unternehmerisches Denken und Handeln in der Politik. Entsprechend hoch sind die Erwartungen an die neuen Ministerinnen und Minister.

Ich erhoffe mir spürbare Impulse, u. a. in der Verwaltungsmodernisierung, etwa durch eine konsequentere Digitalisierung staatlicher Prozesse. Und auch in der Industrie- und Mittelstandspolitik könnten Manager mit unternehmerischem Hintergrund mutigere Entscheidungen treffen: weg von lähmender Regulierungsdichte, hin zu einer innovationsfreundlichen und investitionsfreudigen Standortpolitik. Ihre Nähe zur echten Wirtschaftswelt und ihr Verständnis für Marktmechanismen könnten dazu beitragen, politische Entscheidungen praxisnäher zu gestalten.

Sind Topmanager die besseren Politiker?

Natürlich gibt es auch kritische Stimmen, die u. a. fragen: Sind Unternehmer wirklich die besseren Politiker? Der Ökonom Niklas Potrafke hat diese Frage untersucht: „Man kann beobachten, dass Politiker, die Unternehmenserfahrungen gemacht haben, eine drastisch andere Wirtschaftspolitik betreiben als Politiker, die Erfahrung in anderen Berufen gesammelt haben.“2 Sie zeichnen sich durch eine „marktorientiertere Politik“ aus, so Potrafke, was zu höherem Wirtschaftswachstum führen kann. Vor allem geben sie öffentliche Mittel anders aus. Sie setzen Prioritäten bei investiven Ausgaben und reduzieren konsumtive Ausgaben.

Wichtig für den Erfolg

Dennoch funktioniert das Politikparkett anders als die freie Wirtschaft. Und dessen sollten sich die neuen Akteure bewusst sein. Im demokratischen Gemeinwesen geht es vor allem darum, oft widersprüchliche Interessen in Einklang zu bringen, soziale Gerechtigkeit zu wahren und Mehrheiten zu organisieren. Kritiker befürchten, dass Manager an der Realität politischer Entscheidungsprozesse scheitern oder sie zugunsten wirtschaftlicher Interessen verkürzen könnten. Zudem droht die Gefahr von Interessenkonflikten – insbesondere, wenn ehemalige CEOs über Branchen mitentscheiden, aus denen sie selbst stammen.

Doch ich bin überzeugt: Die Vorteile von mehr Wirtschaftsexpertise in der Politik überwiegen, diese Personalien sind eine echte Chance für Deutschland. Entscheidend wird dabei sein, dass die Ministerinnen und Minister der 25. Bundesregierung ihrer neuen politischen Verantwortung gerecht werden. Merz sagte am Dienstag: „Ich bin sehr zuversichtlich, dass es uns gelingt, ab morgen unser Land kraftvoll, planvoll, vertrauenswürdig zu regieren.“3 SPD-Vizekanzler Lars Klingbeil ergänzte: „Deutschland braucht weniger Verwalter und mehr Möglichmacher.“4 Dem kann ich nur zustimmen, auch wenn wir damit gut und gerne schon zehn, zwanzig Jahre eher hätten starten können. Doch wie sagt man so schön: Besser spät als nie.

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Über den Autor
Karl Matthäus Schmidt

Karl Matthäus Schmidt ist Gründer und CEO der Quirin Privatbank. Er ist Banker in sechster Generation und revolutionierte bislang dreimal den deutschen Bankenmarkt. Mit 25 Jahren gründete er den ersten Onlinebroker Deutschlands, Cortal Consors, den er nach dem Börsengang an eine französische Großbank verkaufte. 2006 brachte er Deutschlands erste unabhängig beratende Bank, die heutige Quirin Privatbank, auf den Markt. Sie verzichtet auf die Annahme von Provisionen und kann Anlegerinnen und Anleger deshalb unabhängig beraten. 2013 gründete Schmidt den ersten Robo-Advisor Deutschlands, quirion, um allen Menschen einen Zugang zu einer guten und günstigen Geldanlage zu ermöglichen. Seine Vision ist es, mehr Menschen in Deutschland zu besseren Anlegern zu machen. Als Vorstand verantwortet er unter anderem die Bereiche Privatkundengeschäft und Anlagemanagement, außerdem ist er Aufsichtsratsvorsitzender der quirion AG. Der gebürtige Franke ist verheiratet, Vater von fünf Kindern und lebt in seiner Wahlheimat Berlin und Brandenburg.

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